"Der Pfad" im Kino:Die letzte Hoffnung

"Der Pfad" im Kino: Julius Weckauf, Volker Bruch und Nonna Cardoner in "Der Pfad".

Julius Weckauf, Volker Bruch und Nonna Cardoner in "Der Pfad".

(Foto: Andrea Resmini/dpa)

Der Kinofilm "Der Pfad" erzählt von einer Flucht vor den Nazis über die Pyrenäen. Eine gute Geschichte - mit ein paar Einschränkungen.

Von Nicolas Freund

Ludwig und Rolf spielen gerne "Gut oder Böse". Am Strand von Marseille versuchen sie zu erraten, wer zu den Guten gehört, und wer nicht. Was bedeutet: Wer sie an die Nazis verraten würde, und wer nicht. Es ist das Jahr 1940, der Norden Frankreichs ist von den Nazis besetzt, im Süden haben sich Flüchtlinge versammelt, die es noch nicht ins Exil geschafft haben. Ihre Hoffnung: ein Visum für die USA und ein Platz auf einem Schiff über den Atlantik. Das Problem: die verbotene Ausreise aus Frankreich und die unsichere Einreise nach Spanien. Die Lösung: ein Pfad über die Pyrenäen, den schon viele andere genommen haben, darunter Lion Feuchtwanger, Golo Mann, Heinrich Mann und Walter Benjamin.

"Der Pfad" basiert auf dem gleichnamigen Jugendbuch von Rüdiger Bertram, das von einer fiktiven Flucht über diesen Pyrenäen-Weg erzählt. Ein wichtiges Thema, das Bertram klug und anschaulich für Jugendliche aufbereitet hat. Man muss sich vorstellen, welche Bedrohung die Manns oder Walter Benjamin, der noch sein letztes Manuskript mit über den Berg schleppte, zu dieser Verzweiflungstat gezwungen haben muss. Den Flüchtenden war klar: Die Alternative zum Weg über die Berge ist das Konzentrationslager. Längst ist dieser Pfad, den man heute noch begehen kann, zu einem Symbol für die Verfolgten des Nazi-Regimes geworden.

Volker Bruch spielt mit, dessen Pandemie-Aktionismus man gerade nur schwer ausblenden kann

Bertram zeigt in seinem Roman die Flucht mit allen Entbehrungen und Gefahren. Partisanenkämpfe, verräterische Grenzposten und die in ihrer Schlichtheit so grausame Erkenntnis: Wen die Wehrmacht oder die Grenzer erwischen, den sieht man womöglich nie wieder. Regisseur Tobias Wiemann folgt diesem Ansatz, nichts zu beschönigen und den jungen Zuschauern etwas zuzumuten, ohne sie zu überfordern, in seiner Verfilmung. Aber den ganzen Film über hält er das nicht durch.

Vielleicht liegt es am Genre des Jugendfilms und seinen Erzählkonventionen, dass auch einmal etwas Heiteres gezeigt werden muss, und dass die Spannung anders als in einem Roman funktioniert und nicht jede Feinheit umgesetzt werden kann. Die Entscheidung, aus dem Jungen Manuel, der im Roman Rolf und Ludwig über die Berge führt, das Mädchen Núria (Nonna Cardoner) zu machen, war jedenfalls eine gute. Nicht nur, weil sonst eine weibliche Hauptfigur gefehlt hätte, sondern auch weil die Freundschaft zwischen Rolf und der jungen Bergführerin eine ganz andere Dynamik bekommt. Rolf spielt Julius Weckauf ("Der Junge muss an die frische Luft") in seiner naiven Tollpatschigkeit ganz hervorragend. Nur wenn die zwei Jugenddarsteller auf einem gestohlenen Rappen fröhlich durch die mediterrane Landschaft preschen, fühlt sich das Ganze nicht mehr wirklich nach einer verzweifelten Flucht vor den Nazis an.

Dabei sind die Deutschen im Film nicht das einzige Problem der Flüchtenden. Auch die Franzosen sind eine Bedrohung für sie. Im Roman sind die französischen Polizisten ambivalent dargestellt, wie es wohl auch historisch war. Manche sind den Flüchtenden wohlgesonnen, andere kooperieren mit den deutschen Besatzern. Im Film sind die Gruppen, die Jagd auf Ludwig, Rolf und Núria machen, durchweg gemischt: französische Soldaten und Wehrmachtsoffiziere. Die französischen sind kaum von den deutschen Soldaten unterscheidbar. Einmal schießen die Franzosen sogar auf Rolf und Nuría, bis ein Wehrmachtsoffizier sie zurückpfeift und zurechtweist. Auf Kinder wird nicht geschossen. Muss erst die Wehrmacht einschreiten, um die mordlustigen Franzosen zurückzuhalten?

Merkwürdig mutet auch der Auftritt des Schauspielers Volker Bruch an. Casting und Dreharbeiten für den Film fanden zwar vor dessen Pandemie-Aktivismus statt. Aber seine Videoaktion #allesdichtmachen über die Corona-Maßnahmen und seine kurze Liebäugelei mit der Protestpartei "Die Basis" machen es aktuell doch schwer, ihm jetzt in dieser Rolle zu folgen.

Der Pfad, Deutschland, Spanien 2022 - Regie: Tobias Wiemann. Buch: Rüdiger Bertram und Jytte-Merle Böhrnsen. Kamera: Martin Schlecht. Schnitt: Andreas Radtke. Mit: Volker Bruch, Jytte-Merle Böhrnsen, Bruna Cusí. Warner, 99 Minuten. Kinostart: 17. Februar 2022.

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