Wieder im Kino: "Der Pate" restauriert:Vom Gewicht der Körper

Lesezeit: 3 min

Draußen die Hochzeit im strahlenden Sonnenlicht, drinnen die Schattenwelt der Mafia: Marlon Brando als "Der Pate" empfängt die Bittsteller in seinem düsteren Arbeitszimmer. (Foto: Paramount Pictures)

Zum 50-Jahr-Jubiläum hat Francis Ford Coppola seinen Klassiker "Der Pate" restauriert. Für kurze Zeit kann man das Meisterwerk wieder im Kino sehen.

Von Philipp Stadelmaier

Es dauert nur etwa eine Dreiviertelstunde, bis es den Paten erwischt. Die Kugeln der Angreifer durchlöchern den fliehenden, auf der Motorhaube seines Wagens kollabierenden Körper, der langsam und gravitätisch an der Karosserie zur Seite rutscht. Das Haar ist durcheinander und das Gesicht leidend, während der kolossale Wanst weiter umkippt, den Boden trifft, zuletzt ganz von seinem Mantel bedeckt wird. Vito Corleone wurde angeschossen. Marlon Brando, der ihn spielt, macht eine ganze Choreografie daraus.

Später, gegen Ende des Films, eine andere Szene, in der ein Körper von einer tödlichen Schwere erfasst wird. Da hat Vitos Sohn Michael Corleone (Al Pacino) die Geschäfte seines mittlerweile verstorbenen Vaters übernommen und lässt, während der Taufe seines Sohnes, sämtliche Kontrahenten ausschalten, einen nach dem anderen. Auf dem Höhepunkt dieses Crescendos der Gewalt erwischt es das Oberhaupt einer verfeindeten Familie. Der Mann, der eine Treppe hinaufflieht, bekommt die Kugeln in den Rücken. Er reißt die Arme hoch, beugt sich zurück, fällt, purzelt die Stufen herunter.

Choreografie trifft auf Gravitation in "Der Pate" von 1972, gedreht von einem jungen Francis Ford Coppola, der erst 31 Jahre alt ist und schon einen Beststeller von Mario Puzo verfilmt. Später vervollständigen zwei Fortsetzungen (von 1974 und 1990) die weltberühmte Filmtrilogie, die über ein halbes Jahrhundert hinweg die Geschichte des Mafiaclans der Corleones erzählt. Der erste Teil, der nun in einer digital restaurierten Fassung wieder ins Kino und Ende März auf den Home-Entertainment-Markt kommt, spielt im New York der Nachkriegszeit. Er ist einer dieser legendären, viel zitierten Klassiker der Filmgeschichte, die kaum noch einer Einführung bedürfen.

Newsletter abonnieren
:SZ Film-Newsletter

Interessante Neuerscheinungen aus Film, Streaming und Fernsehen - jeden Donnerstag in Ihrem Postfach. Kostenlos anmelden.

Allein die Dreharbeiten sind ein Film für sich. Mafia und italoamerikanische Communitys leisten Widerstand gegen die Produktion. Frank Sinatra erkennt sich in einer Rolle wieder und fühlt sich verunglimpft. Coppola, der zunächst wenig Lust auf den Stoff hat, bringt später mit seinen Forderungen die produzierende Paramount fast um den Verstand. Weder mit Brando noch mit Al Pacino sind die Produzenten zuerst einverstanden, bis Coppola sich durchsetzt.

Dieses unwahrscheinliche, vielen Widerständen abgetrotzte Meisterwerk ist aber auch deswegen so groß, weil seine Körper und Figuren, die aus dem ocker-schwarzen Chiaroscuro des Films emporragen, Gewicht und Schwere haben. Allein Brando ist ein Monument für sich. Eine dicke Schicht Schminke macht den damals erst 47 Jahre alten Schauspieler um zwanzig Jahre älter, während die in die Backen gestopften Polster ihm Ausdruck und Stimme einer heiseren Bulldogge verleihen. Das Einzige, was sich in seinem Gesicht zu bewegen scheint, sind seine Augenbrauen.

Frühere Hollywood-Gangsterfilme setzten da eher auf äußere Handlung, Dynamik und Geschwindigkeit. Ebenso wie Coppolas New-Hollywood-Kumpan Martin Scorsese, der mit dem 1973 veröffentlichten "Mean Streets" und später mit "Goodfellas" und "Casino" selbst einige moderne Klassiker des Genres geschaffen hat. Im "Paten" hingegen muss die Kamera nur einmal schwerfällig auf Al Pacino zufahren, der mit übereinandergeschlagenen Beinen im Kreis seiner Familie auf einem Sessel thront, um die Macht vom Vater auf den Sohn übergehen zu lassen. Eine Macht, die sich durch Ruhe und Zurückhaltung ausdrückt, die von gravitätischen Körpern zuerst ausgestrahlt wird, bevor ihr blutige Taten folgen.

Die Ruhe nach dem Überfall ist ein Stillleben

Es ist faszinierend zu sehen, wie Coppola in diesem ausladenden Epos die Handlung oft auf engem, statischem Raum komprimiert, noch die größte Anspannung aus völliger Ruhe heraus erzeugt und wieder in dieser enden lässt. Etwa wenn Santino, Vitos ältester Sohn, an einer Mautstelle erschossen wird. Ein Mann duckt sich, ein Wagen setzt zurück, Türen springen auf, Scheiben werden eingeschlagen, eine Tür öffnet sich, und Santino taumelt ins Feuer der Maschinengewehrsalven. Es folgt eine Reihe von Einstellungen, die das Danach zeigen. Zersplittertes Glas und blauer Himmel, eine Hand (Santinos), die am unteren Bildrand wie zufällig mitaufgenommen ins Bild ragt. Die Ruhe nach dem Sturm, quasi ein Stillleben.

Der Film ist dabei nicht das Werk eines jungen, überbegabten Manieristen, der detailliert ausgestaltete, reglose Einzeltableaus aneinanderreihen würde. Die Bewegung verlagert sich vielmehr vom Außen ins Innen, wo sie die Konturen eines intimen Familienporträts nachzeichnet. Die schönste Szene ist die, in der Vito (Brando), angeschossen und bewegungslos, im Bett liegt und die Einstellung überblendet zu seinem Sohn Michael (Pacino), der das Land verlassen musste.

YouTube

Die SZ-Redaktion hat diesen Artikel mit einem Inhalt von YouTube angereichert

Um Ihre Daten zu schützen, wurde er nicht ohne Ihre Zustimmung geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte von YouTube angezeigt werden. Damit werden personenbezogene Daten an den Betreiber des Portals zur Nutzungsanalyse übermittelt. Mehr Informationen und eine Widerrufsmöglichkeit finden Sie untersz.de/datenschutz.

Der hält sich in Sizilien auf, der ursprünglichen Heimat der Corleones, wo er über sonnige Hügel spaziert. Die Szene findet in diesem Moment an einem anderen Ort der Welt statt, aber eben auch "im" Körper des alten Patriarchen, seiner Erinnerung. Denn der Sohn wiederholt hier die Geschichte des Vaters, der einst von Sizilien nach Amerika kam. Michael wird seinerseits bald zurückkommen, um in Amerika den Platz an der Spitze des Clans einzunehmen. Im zweiten Teil der Trilogie begleiten wir dann Vito (gespielt von Robert De Niro), wie er, Anfang des Jahrhunderts, seinen Weg von der alten in die neue Welt antritt.

Die Gravitationskraft des "Paten" geht nicht nur von der Schwere der Körper aus, sondern auch von einer Familientradition, von der es kein Loskommen gibt. Eine Tradition, zu der auch wir gehören, cinephile Liebhaberinnen und Liebhaber von Coppolas Meisterwerk, die nun ins Kino pilgern können, um noch einmal dem Körper des Paten beim Fallen zuzuschauen.

The Godfather , USA 1972 - Regie: Francis Ford Coppola. Buch: Coppola, Mario Puzo. Kamera: Gordon Willis. Mit Marlon Brando, Al Pacino, Diane Keaton, James Caan, Robert Duvall. Paramount Pictures, 175 Minuten. Wiederaufführung: 3. März 2022.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Neu in Kino & Streaming
:Welche Filme sich lohnen - und welche nicht

Robert Pattinson tritt als neuer "Batman" an, und Peter Dinklage spielt den Dichter der Herzen, Cyrano de Bergerac. Die Starts der Woche in Kürze.

Von den SZ-Kritikern

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: