Der neue Ruhm des Oscar Isaac:Aufstieg in Hollywoods Oberliga

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Diese Rolle wollte er so sehr haben wie zuvor keine andere in seiner Karriere: Oscar Isaac in "Inside Llewyn Davis". (Foto: dpa)

Er geht in seinen Figuren so vollständig auf, dass man ihm seine Rollen bei "Che" und "Drive" hinterher gar nicht mehr zuordnen kann. Mit "Inside Llewyn Davis" wurde Oscar Isaac im vergangenen Jahr dann doch zur Berühmheit - nun steht er für den neuen "Star Wars"-Film vor der Kamera. Eine Begegnung.

Von David Steinitz

Wenn Hollywoodschauspieler von sich erzählen - und Hollywoodschauspieler erzählen in der Regel sehr gerne von sich -, dann berichten viele am liebsten, wie doch mit jeder neuen Rolle ihr schauspielerisches Repertoire wachse. Was meistens gelogen ist, weil die meisten Hollywoodschauspieler eigentlich immer die gleiche Rolle spielen. Nicht unbedingt, weil sie es nicht anders können, sondern weil die Hollywoodkarriere so am besten funktioniert: Vermehrung des Ruhms durch stoische Repetition.

Weshalb der wunderbare Schauspieler Oscar Isaac lange niemandem so richtig aufgefallen ist, zumindest außerhalb der Branche? Weil er seinen Job zu gut, zu vielseitig gemacht hat.

Bevor er im vorigen Jahr bei den Coen-Brüdern in "Inside Llewyn Davis" als melancholischer Folksänger seinen großen Durchbruch hatte, hatte er bereits mit Ridley Scott, Steven Soderbergh und Nicolas Winding Refn gedreht, und war dabei immer so vollständig im Kosmos des Films aufgegangen, dass man ihm die Rollen in "Robin Hood", "Che" oder "Drive" hinterher gar nicht mehr zugeordnet hat. Was ihm aber gerade recht ist: "Das ist das tollste Kompliment, wenn die Leute zu mir sagen oh, das warst ja du, ich habe dich gar nicht erkannt!".

London, das Corinthia Hotel, fünf Gehminuten vom Trafalgar Square entfernt. Nebenan residiert Scotland Yard, gegenüber ist ein kleiner Park, in dem die Anzugträger aus der Umgebung ihre Mittagssandwiches verspeisen - die Maisonne knallt.

Weshalb Oscar Isaac, entspannt in Jeans und dunkelgrünem T-Shirt, etwas sehnsüchtig aus der Hotelsuite nach draußen schielt und dann entschuldigend erklärt, dass nun ein recht sonnenarmer Sommer anstünde. Schuld ist der neue "Star Wars"-Film, für den Isaac gerade in den Tiefen eines Londoner Studios an einem streng abgeriegelten Set vor der Kamera steht. "Aber es gibt wohl Schlimmeres!" Grinst, und zieht das Diktiergerät des Journalisten noch etwas näher über den kleinen Tisch an sich heran, damit später auch alles gut zu hören ist.

Luke Skywalker ist ihm genauso zuzutrauen wie Darth Vader

Isaac ist heute eigentlich hier, um über die hübsche Patricia-Highsmith-Verfilmung "Die zwei Gesichter des Januars" zu sprechen. Ein Retro-Krimi, in dem er aktuell als Trickbetrüger zu sehen ist, der neben Viggo Mortensen und Kirsten Dunst in eine fiese Mordgeschichte verwickelt wird.

Aber sein "Star Wars"-Job weckt natürlich auch Neugier - allerdings gibt es da die von Dutzenden Hollywoodanwälten ausgetüftelten Verträge, in denen bis ins kleinste Detail festgelegt ist, was die "Star Wars"-Neuzugänge vorab erzählen dürfen und was nicht. Top secret und deshalb tabu fürs Interview ist seine konkrete Rolle in der Fortsetzung der Sternensaga.

Die Fans in den Internetforen handeln ihn momentan relativ ausgeglichen sowohl als Guten als auch als Bösewicht - was wieder seine Anpassungsfähigkeit an die verschiedensten phantastischen Filmwelten unterstreicht: Diesem Mann ist der neue Luke Skywalker genauso zuzutrauen wie der neue Darth Vader.

Überschwängliche Höflichkeit

Aber gut, wenn schon keine inhaltlichen Fragen möglich sind, dann eben ein paar formal-lebensstrategische. "Star Wars" ist absolute Hollywoodoberliga, mehr Blockbuster geht nicht. Wie, um Gottes willen, erliegt man in so einem Medientrubel, dem Isaac seit der Verkündigung seines "Star Wars"-Engagements im April ausgesetzt ist, obwohl da noch keine einzige Szene gedreht war, nicht der totalen Hybris?

Wohl indem man das Ganze so entspannt sieht wie Isaac: "So ein Dreh hat natürlich eine ganz andere Dynamik als ein Film wie 'Die zwei Gesichter des Januars', vor allem auch, was die Größe der Besetzung angeht. Wir Neuen treffen ja auf die Original-Darsteller um Mark Hamill, Carrie Fisher, Harrison Ford. Da kommen so viele Egos und Vorstellungen zusammen. Aber auch bei 'Star Wars' gilt: Der Regisseur gibt den Ton an. J.J. Abrams ist ein großer Optimist. Das ist bei einem Projekt, auf dem so ein riesiger Erwartungsdruck lastet, unglaublich wichtig, dass der Chef nicht an Selbstzweifeln zergeht. Er hat unglaubliche Lust auf den Job und ist immer für alle zu sprechen, obwohl er jeden Tag mit tausend Menschen zu tun hat und tausend Entscheidungen treffen muss. Deshalb mache ich mir gerade auch keine allzu großen Sorgen um den ganzen Zirkus, weil ich sehe, dass J.J. die Sache im Griff hat. Außerdem habe ich zum Glück schon so viele vollkommen unterschiedliche Rollen gespielt, dass ich hinterher nicht einfach nur der Typ sein werde, der mal in 'Star Wars' mitgespielt hat."

Spricht's und bedankt sich beim Kellner, der ihm seinen vegetarischen Lunch bringt, mit einer selbst für amerikanische Smalltalk-Kunst überschwänglichen Höflichkeit.

Isaac ist jetzt 35, und man hat das Gefühl, dass der Ruhm zu diesem Mann immer genau zum richtigen Zeitpunkt und in den richtigen Dosen gekommen ist. Keine Eskapaden, nur das Glück darüber, jetzt endlich die Aufmerksamkeit zu bekommen, die er schon lange verdient hat.

Ausgebildet wurde Isaac, der in Guatemala geboren und in den USA aufgewachsen ist, an der legendären Juilliard School in New York. Dort hat man sich darauf spezialisiert, rebellierende Jungschauspielerhirne erst ordentlich weichzukochen, um sie dann mit den Gentleman-Regeln des gepflegten Bühnenspiels vertraut zu machen, wie es seit Jahrzehnten an dieser Schule gepflegt wird.

"Die versuchen erst, dich zu brechen und dann wieder nach ihren Vorstellungen aufzubauen. Aber das Spielchen muss man ja nicht mitmachen, wenn man es durchschaut hat. Und fürs tägliche Schauspielhandwerk kann man an der Juilliard wirklich unglaublich viel lernen."

Zum Beispiel jenes Verschwinden in einer Rolle, das wirklich die Person des Schauspielers vergessen lässt. Das, was die Coen-Brüder so händeringend für "Inside Llewyn Davis" suchten: einen Darsteller, der den ganzen verdammten Blues, den die Mädchen, der Job und die Träume einem jungen Burschen bescheren können, in einen einzigen müde-melancholischen Augenblick packen kann - und der gleichzeitig noch ein irres Gespür für die Komik innerhalb einer tragischen Situation hat.

Großer Freund intensiver Recherche

Isaac wollte diese Rolle so sehr wie keine andere zuvor in seiner Karriere: "Die Coens luden mich zum Vorsprechen ein. Es war ein tolles, vollkommen entspanntes Casting - was in Hollywood wirklich sehr selten ist, da machen sich sonst alle gegenseitig irre. Aber Freunde hatten mich bereits gewarnt, dass ich mir auf diese relaxte Situation bloß nichts einbilden solle, das laufe bei den beiden immer so ab. Und dann habe ich ernsthaft einen Monat gar nichts mehr von ihnen gehört. Einen Monat! Die längsten vier Wochen meines Lebens. Dann rief Joel Coen schließlich an und fragte, ob ich die Rolle haben wolle - und ich habe sie als Rache einen Monat schwitzen lassen. Nein, im Ernst, ich habe sofort ja! gekreischt. Der beste Tag meines Lebens!".

Isaac ist ein großer Freund von intensiver Recherche. Bei "Llewyn Davis" hätten ihm vor allem seine original Fifties-Stiefel, mit denen Davis verzweifelt durch das frostige New York stapft, geholfen, in die Rolle zu finden.

Da stellt sich zum Schluss natürlich die Frage, wie er nach zwei historischen Filmen - mit "Llewyn Davis", der in den frühen Sechzigern spielt und mit "Die zwei Gesichter des Januars", der in Griechenland, etwa zur gleichen Zeit angesiedelt ist - nun auf Sternenkriege umschaltet? Auf Dreharbeiten weit weg von realen Schauplätzen und vor dem Green Screen?

"Für 'Llewyn Davis' und 'Januar' konnte ich natürlich konkret Recherche betreiben. Aber Konflikte trägt ja jede Figur aus, egal, ob in Griechenland oder in einer weit, weit entfernten Galaxis. Also bleibt mein Job letztlich der gleiche. Man sucht sich Bezüge aus dem eigenen Erfahrungsschatz oder aus der Popkultur, und dann legt man los. Als ich zum Beispiel in Ridley Scotts 'Robin Hood' den König von England gespielt habe, eine Rolle, bei der ich mit meiner persönlichen Erfahrung kaum etwas ausrichten konnte, habe ich mir den einfach als eine Mischung aus Richard Nixon und Robert Plant vorgestellt."

© SZ vom 12.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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