Der Kampf gegen Anglizismen:Das wär' doch gelollt!

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Kommt nach der Rechtschreibreform noch eine "Rechtsprechreform"? - Warum die deutsche Sprache vor ihren Beschützern geschützt werden muss. Mit Bildergalerien.

Jens Bisky

Der "Lifestyle Club" an der nächsten Straßenecke und der "Service Point" der Deutschen Bahn versprechen eine Weltläufigkeit, die beide Unternehmen gar nicht im Angebot haben. Wer der deutschen Sprache nicht mächtig ist, dürfte hier nur unter großen Schwierigkeiten "Lifestyle" und "Service" erhalten.

Aber statt Spott und Verachtung, die Hochstaplern gebührt, provoziert derart windig-nichtiger Etikettenschwindel immer wieder den Fanatismus von Wächtern, die unsere zweifelsohne wunderbare Sprache erhalten und "vor dem Verdrängen durch das Englische" schützen wollen.

Als hätte die Rechtschreibreform nicht ein für allemal bewiesen, dass der Staat nur Unheil stiftet, wenn er Sprache zu reglementieren versucht, bemächtigen sich nun auch christdemokratische Politiker des populären Themas und wollen den Verbraucherschutz auf das Deutsche ausdehnen. Sie streiten gegen Anglizismen und fordern die Bundesregierung auf, Gesetze in verständlicher Sprache zu verfassen.

Hätten Sie's gewusst? Die wunderlichen Blüten der deutschen Jugendsprache...

Was bleibt da anderes, als verwundert zu lächeln über dieses seltsame Zeichen der Zeit? Dass selbst polyglotte Philologen Mitteilungen der Finanzämter nicht verstehen, liegt gewiss nicht am vermuteten Triumph des Englischen. Auch für die Fadheit politischer Debatten, das Fehlen rhetorischer Brillanz wird man Werbeslogans und pompös verunglückte Bezeichnungen nicht verantwortlich machen können.

Hängt es vielleicht damit zusammen, dass so viele so wenig zu sagen haben? Und eben die reden gern über Sprachverfall. So sucht der "Verein deutsche Sprache e.V." im Rahmen der Aktion "Lebendiges Deutsch" eine Entsprechung für "Spam". Für "Slogan" hat man vor kurzem aus 298 verschiedenen Angeboten den "Spruch" ausgewählt. Allerdings waren auch "Knacksatz" und "Kaufkitzel" in der engeren Wahl. Ein Königreich für solche Sorgen.

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Zum "Spruch" wird "Slogan" in guten Wörterbüchern ohnehin verdeutscht, aber selbst abgestumpftes Sprachgefühl erkennt, dass hier Verschiedenes bezeichnet wird. Im Namen welcher Sprache will man da einer Verarmung das Wort reden. Ein "Job" ist eben kein "Beruf", und "Kids" sind etwas anders als "Kinder". Wer von "Kids" spricht, will Kumpel sein, sich anbiedern - und wie herrlich ist eine Sprache, die das Grabscherhafte des Redenden sofort zu erkennen gibt.

Ältere Menschen würden vieles nicht mehr verstehen, behaupten die Sprachwächter. Was spricht dagegen, nachzufragen? Oder will man uns einreden, dass Ältere nichts mehr lernen könnten? Außerdem bereichern die neuen Wörter das Deutsche außerordentlich.

Zu dem - zugegeben - abscheulichen Chat- und SMS-Kürzel "lol" (laughing out loud) wurde inzwischen das Verb "lollen" erfunden, ein Wort, das schon aufgrund seiner Nähe zum "Lallen" aus dem Sprachgebrauch des Pietismus schwer zu übertreffen ist. Dass in einer Welt rasend wachsenden Reiseverkehrs, ständigen Austauschs, hemmungsloser Kommunikation Mischformen auftauchen, Unreines gehäuft auftritt, ist doch wohl selbstverständlich.

Lollen, wie der Schnabel gewachsen ist

Wer die Sorge um die Sprache an den Kampf gegen Anglizismen knüpft, begibt sich vor allem der Chance, mit den Sprechern zu denken statt gegen sie. Er zieht sich in einen Schmollwinkel zurück. Dabei beweist die deutsche Sprache ihre ungebrochene Kraft schon dadurch, dass Anglizismen im Regelfall als solche zu erkennen sind.

Sie erlauben Nuancen im Ausdruck, und das im Guten wie im Dummen. Das Französische hatte im 17. und 18. Jahrhundert allemal einen größeren Einfluss auf unsere Muttersprache als das Englische heute. Gewiss bereitet ein Verb wie "downloaden" grammatische Schwierigkeiten. Die Akademie für Sprache und Dichtung aber wies bereits vor Jahren darauf hin, dass es mit dem "Bausparen" auch nicht einfach ist.

Entsetzlich sind jene Entwicklungen, die mit "Call a bike" und "Online-Banking" nichts zu tun haben, die sich schleichend durchsetzen und inzwischen alle Zeitungen sowie die Bücher großer Verlage verunzieren. Dazu gehören etwa das schlampige "nicht wirklich", das widerwärtige "einmal mehr", das blöde "Sinn machen", das gespreizte "Es war der Mann, der sagte", die Tendenz zum "Sie ging nach Hause, weil er war ein toller Typ", die "1980er Jahre" und dergleichen mehr. Nicht das Englische, sondern Nachlässigkeit und Gedankenlosigkeit schaden - wie in all den vergangenen Jahrhunderten auch.

Bundestagsresolutionen, Wettbewerbe und Preise werden dagegen kaum etwas ausrichten können. Wem an Reichtum und Schönheit der Sprache gelegen ist, der sorge dafür, dass die klassische deutsche Literatur von Lessing bis Brinkmann gelesen wird, dass die Kinder Gedichte auswendig lernen. Skandalös ist nicht der lächerliche "Service Point", sondern die Tatsache, dass man jahrelang eine Schule in Deutschland besuchen kann, ohne Deutsch zu lernen.

Spätere Historiker werden den Kampf gegen Anglizismen wohl zu jenen untauglichen Versuchen zählen, mit denen eine verängstigte Mittelschicht den Untergang ihrer Welt aufhalten wollte. Die Sprache bleibt zum Glück ein Werkzeug, das sich dem Zugriff des Einzelnen wie der Bürokratie entzieht. Herrscher des Himmels, erhöre das Lollen und lass jeden reden, wie ihm der Schnabel gewachsen ist.

© SZ vom 21.3.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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