Süddeutsche Zeitung

Der Filmautor:Traurige Anfänge

Mr. Hopkins als Butler: Zwei Werke von Kazuo Ishiguro wurden erfolgreich fürs Kino adaptiert - er schrieb aber auch eigene Drehbücher.

Von Fritz Göttler

Very british sind die Filme, die nach Romanen von Kazuo Ishiguro entstanden sind, durch und durch britisch - "Was vom Tage übrig blieb", 1993, und "Alles, was wir geben mussten", 2005. Ishiguro glaubt an das Zusammenwirken von Literatur und Kino, was die Produkte angeht und die Produktion, die Arbeit an ihnen. Bei "Alles, was wir geben mussten" war er einer der Executive Producers, zusammen mit dem Schriftstellerkollegen Alex Garland, der das Drehbuch schrieb. Was aufregend ist beim Drehbuchschreiben, hat Ishiguro erklärt - "dass man Teil eines größeren Prozesses von Zusammenarbeit ist. Es ist etwas Ungesundes daran, sein Leben lang Romane zu schreiben".

Es war wohl unausweichlich, dass eines Tages James Ivory und sein treuer Produzent Ismail Merchant "Was vom Tage übrig blieb" verfilmen würden. Der Regisseur aus Oregon und der Produzent aus Bombay sind berühmt und erfolgreich geworden mit ihren Adaptionen der Romane von E. M. Forster (am erfolgreichsten "Zimmer mit Aussicht") und Henry James ("The Europeans"). Diese Filme sind Ausstattungsstücke, durchaus, aber mit einem scharfen Sinn für die politische Situation der Menschen, von denen sie erzählen. Sie sind alle Amateure, sagt Christopher Reeve beim großen Bankett in "Was vom Tage übrig blieb", er meint die Oberschicht Englands, untätig in der Zeit des erstarkenden Faschismus und des drohenden Weltkriegs. Die Atmosphäre der Ausweglosigkeit ist beklemmend. Und herzzerreißend ist die streng regulierte Einsamkeit des Domestikenpaares Anthony Hopkins und Emma Thompson in diesem Film, und das Verhängnis der drei Kids in "Alles, was wir geben mussten", Carey Mulligan, Andrew Garfield und Keira Knightley.

Ein Bekenntnis zum Professionalismus steckt in den Ishiguro-Romanen, manchmal pervers, stark präsent, das macht sie offen fürs Kino. Nach "Was vom Tage übrig blieb" war Ishiguro ein wenig besorgt, die Leute könnten denken, er würde Drehbücher für Merchant-Ivory-Produktionen schreiben. Ein paar Jahre später hat er das wirklich getan, ein Originaldrehbuch über einen blinden Ex-Diplomaten (gespielt von Ralph Fiennes), der einen Club aufmacht, mit einer russischen Gräfin als Star (Natasha Richardson) - "The White Countess", Shanghai 1936, auch dies eine Zeit vor einem Kriegsausbruch. Es ist ein heftiger Film im Vergleich zum soften Merchant-Ivory-Stil.

Noch ruppiger waren die filmischen Anfänge von Ishiguro. Bevor er Romane schrieb, hatte er ein Drehbuch fabriziert, "The Saddest Music in the World", das jahrelang zwischen diversen Regisseuren herumgeschoben wurde. Als es beim Kanadier Guy Maddin landete, waren noch frisch die Fingerabdrücke von Atom Egoyan drauf, der das Buch ablehnte. Guy Maddin, der wüste pathetische Filmemacher, für den jeder Film das klassische Kino verherrlicht, griff im Jahr 2003 zu. Isabella Rossellini spielt die Baronin Helen Port-Huntley, Besitzerin einer Bierfabrik, die zu Werbezwecken einen Wettbewerb ausschreibt: welches Volk die traurigste Musik spielt. Es mag nicht Ishiguros Film geworden sein, aber es ist sicher eine Ishiguro-Idee.

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Quelle:
SZ vom 06.10.2017
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