Der Countdown (XVII):Boykott von Brexit-Befürwortern?

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(Foto: Illustration Jessy Asmus)

Der "Iron Maiden"-Sänger Bruce Dickinson will unbedingt raus aus der EU. Wenn Rock-Idole für den Brexit stimmen, geraten Fans in eine Zwickmühle.

Von Alexander Menden, London

Im Auto läuft normalerweise einer von drei Sendern: BBC Radio 4 für Nachrichten, Bildungsbürgerkram und Gardener's Question Time; BBC Radio 3 für Klassik; oder, auf nachdrückliche Anweisung des Nachwuchses, Radio X für Rockmusik von akzeptablem Coolnessgrad.

Keiner dieser Sender würde jemals den Song spielen, der vor ein paar Tagen aus den Lautsprechern knallte. Die digitale Suchfunktion des Autoradios hatte sich auf die Metal-Station Kerrang Radio verirrt. Es lief: "Two Minutes to Midnight" von Iron Maiden. Der galoppierende Riff, der apokalyptische Text, der tremolierende Gesang, all das gilt bei britischen Popmusik-Connaisseuren als Kfz-Mechaniker-Mucke, viel zu uncool für Radio X. Egal, sofort setzte der Headbanger-Reflex ein, es stiegen Erinnerungen auf an den grandiosen ersten Zugabenblock beim "Monsters of Rock Festival" 1988 im Bochumer Ruhrstadion.

Dickinson ist aber auch ein Brexit-Befürworter

Doch dann erlahmte die Begeisterung erst einmal. Iron-Maiden-Sänger Bruce Dickinson ist ein Tausendsassa: Degenfechter und Autor, Pilot und Businessman, DJ und Bierbrauer. Sehr beeindruckend, abgesehen davon, dass er mit 58 Jahren noch immer eine der markantesten Metal-Stimmen überhaupt hat. Dickinson ist aber auch ein Brexit-Befürworter. Schon Ende 2012 hatte er in seiner Eigenschaft als Flugunternehmer bei der Fragerunde "Any Questions?" seine Abneigung gegen die EU-Bürokratie kundgetan. Vor dem Referendum stellte er sich dann klar auf die "Leave"-Seite: "Ich glaube, die Position der EU, immer enger zusammenwachsen zu wollen, ist unhaltbar. Wenn unsere Zukunft außerhalb der EU liegt, dann könnten wir das Hongkong Europas werden, indem wir auf unserer traditionellen Rolle als Handelsnation aufbauen. Wenn wir austreten, wird die EU in Panik verfallen, und einen Deal mit uns machen müssen."

Damit gehört Bruce Dickinson zur sehr überschaubaren Gruppe britischer Unternehmer, die glauben, dass der Brexit wirtschaftlich von Vorteil sein wird. Während die meisten Wirtschaftsbosse davon ausgehen, dass der EU-Ausstieg steigende Kosten und sinkende Gewinne zur Folge haben wird, haben manche goldene Zeiten vorhergesagt. Der Staubsauger-Tycoon James Dyson gehört dazu, der Pub-Ketten-Chef Tim Martin oder Luke Johnson, Gründer einer Reihe erfolgreicher Konditoreien. Das ist ihr gutes Recht. Die Frage, die einen aber als EU-Bürger seit Monaten umtreibt, lautet: Soll man die jetzt boykottieren? Staubsaugerhersteller gibt es viele. Pub-Ketten sind ohnehin zu meiden, weil sie traditionellen Kneipen die Geschäftsgrundlage entziehen. Und Kuchen kann man selbst backen. Aber "Two Minutes to Midnight"? Nein, das kann man nicht ausmachen. Der Song lief bis zum Schluss in voller Lautstärke, und am Ende tat schön der Nacken weh.

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