Denkmäler - Worms:Jüdische Stätten: Unesco entscheidet über Welterbe-Antrag

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Ein Chanukkaleuchter ist in Worms in der Synagoge zu sehen. Foto: Uwe Anspach/dpa/Archivbild (Foto: dpa)

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Mainz (dpa/lrs) - Das Welterbe-Komitee der Unesco entscheidet im Sommer über den Antrag für die Orte des jüdischen Mittelalters in Worms, Mainz und Speyer - mitten im bundesweiten Festjahr zu 1700 Jahren jüdischen Lebens in Deutschland. "Wir wollen 1700 Jahre jüdischen Lebens würdigen, Vorurteile überwinden, das Miteinander stärken und diesen erstarkenden Antisemitismus bekämpfen", sagte die Generalsekretärin des eigens für das Festjahr gegründeten Vereins mit (#2021JLID), Sylvia Löhrmann, am Dienstag in Mainz bei der Vorstellung des Festjahr-Programms für Rheinland-Pfalz.

Die Schum-Stätten hätten auf dem Weg zum Welterbe 2020 eine wichtige Hürde genommen, sagte der rheinland-pfälzische Kulurminister Konrad Wolf (SPD). Ihre Bedeutung als Zeugnisse jüdischer Geschichte und christlich-jüdischer Begegnungen sei außergewöhnlich. Die Schum-Stätten sind nach den hebräischen Anfangsbuchstaben der drei Städte benannt.

Von den bundesweit mehr als 1000 Veranstaltungen sind 70 in Rheinland-Pfalz geplant. Eine Exkursion zu den Schum-Stätten gehört ebenso dazu wie eine Konzerttournee mit israelischen Musikern, ein Schülerwettbewerb für alle 9. und 10. Klassen und eine Wanderausstellung zu jüdischem Leben, aber auch ein Film des SWR über das jüdische Erbe, Vorträge, Führungen, Tagungen, Konzerte und Podiumsdiskussionen. Das Festjahr geht auf den Erlass des römischen Kaisers Konstantin aus dem Jahr 321 zurück, das als das älteste erhaltene Schriftzeugnis jüdischen Lebens auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands gilt. Vermutlich sei der Erlass in Trier unterzeichnet worden, sagte der Antisemitismusbeauftragte der Landesregierung, Dieter Burgard.

"Die Monumente und Friedhöfe in den Schum-Gemeinden sind einzigartige Zeugnisse der kontinuierlichen, über tausendjährigen Präsenz jüdischer Gemeinden", sagte Wolf. An ihnen lasse sich die Geschichte der Begegnung und Verfolgung gleichermaßen eindrücklich ablesen. Die Schum-Stätten hätten für das jüdische Leben weltweit eine besondere Bedeutung, sagte der leitende Geschäftsführer des Festjahr-Vereins "321-2021: 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland", Andrei Kovacs.

Ein Gutachter hatte die Orte im Herbst besucht. Danach haben die Experten des für die fachliche Prüfung des Antrags zuständigen Internationalen Rates für Denkmalpflege (ICOMOS) noch Fragen gestellt, etwa zur historischen Entwicklung des aschkenasischen Judentums, also der Kultur der mittel-, nord- und osteuropäischen Juden. Diese sind bis Ende Februar zu beantworten.

Danach gibt ICOMOS im März seine Stellungnahme ab. Dabei gibt es vier Möglichkeiten: Neben Annahme ("Inscription") und Ablehnung ("Non-inscription") bestehen auch die Optionen, bestehende Mängel im Management-Plan zu beheben ("Referral") oder ein neues Dossier einzureichen, um den außergewöhnlichen universellen Wert nachzuweisen ("Deferral"). Anschließend formuliert das Welterbe-Zentrum der Unesco eine Beschlussvorlage. Im Juni oder Juli - ein genauer Termin steht noch nicht fest - trifft dann das Welterbe-Komitee der Unesco eine endgültige Entscheidung. Dem Komitee gehören die Unesco-Botschafter von 21 Staaten an. Die für 2020 geplante Sitzung wurde wegen der Corona-Pandemie verschoben.

Die coronabedingten Einschränkungen bei Reisen, gerade auch im internationalen Tourismus, können für die Schum-Stätten vorteilhaft sein. So gebe es mehr Zeit, "um einen guten sanften Kulturtourismus zu entwickeln", sagt die Geschäftsführerin des Schum-Vereins, Susanne Urban. Nach einem Farbanschlag auf dem jüdischen Friedhof in Worms im Juli vergangenen Jahres - dabei wurden im ältesten Teil des "Heiligen Sands" 18 historische Grabsteine mit Farbe beschmiert - ist eine "sanfte Einlasskontrolle" geplant.

Für den Mainzer Denkmalfriedhof, den "Judensand", sieht der Management-Plan der Schum-Stätten vor, diesen "in Zukunft visuell und virtuell für Besucher zugänglich zu machen". Einen Planungswettbewerb der Stadt Mainz gewann der Entwurf "Sprechende Hülle". Er sieht ein Besucherzentrum in einer Holzbaukonstruktion, ein "erzählerisches Zugangsportal" zum Ort und seiner Geschichte und eine Einfriedung mit einer doppelreihigen Eibenhecke mit schmalen Sichtfenstern vor.

Die Bemühungen um eine Anerkennung als Unesco-Welterbe begannen bereits 2006. Die Arbeit an dem rund 1000 Seiten umfassenden Antrag, der vor einem Jahr eingereicht wurde, begannen 2016. Daran wirkte eine Arbeitsgruppe aus Wissenschaftlern der Universitäten Heidelberg und Trier, der Generaldirektion Kulturelles Erbe (GDKE) und des Schum-Vereins mit, in Abstimmung mit den Städten Speyer, Worms und Mainz sowie der jüdischen Gemeinde Mainz/Worms.

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