Debütalbum von Conchita Wurst:Fahrstuhl statt James Bond

Conchita Wurst at Logie Awards in Sydney

Ein Jahr nach ihrem ESC-Durchbruch veröffentlicht Conchita Wurst ihr Debütalbum: "Conchita"

(Foto: dpa)

Swing, Techno, orientalische Klänge: Auf ihrem ersten Album probiert sich Conchita Wurst in vielen Genres aus - eine positive Überraschung. Aber der ESC-Effekt ist verpufft. Fünf Fragen, fünf Antworten.

Von Carolin Gasteiger

Sie war die Überraschung beim Eurovision Song Contest in Kopenhagen. Im goldenen Glitzerkleid schmetterte Conchita Wurst vor einem Jahr "Rise like a phoenix" und sorgte für Gänsehaut. Ihre Ballade klang nach James-Bond-Titelsong, in Kopenhagen kam Wurst auf den ersten Platz. Und nicht nur musikalisch war ihr Auftritt ein Erfolg. Der Sieg der bärtigen Travestiekünstlerin wurde als Sieg der Toleranz über alte Klischees deklariert - und Conchita Wurst zur Toleranz-Botschafterin ausgerufen. Jetzt erscheint mit "Conchita" ihr erstes Album.

Warum tun wir uns das an?

Weil wir uns ein Jahr nach dem ESC-Hype fragen, was aus Conchita Wurst geworden ist. Also musikalisch. Außer in Varieté-Clubs in Paris aufzutreten - oder vor dem EU-Parlament. Schließlich ist sie, wenn sie nicht gerade ihre Mission für Toleranz, Freiheit und Individualität verfolgt, eigentlich Sängerin.

Was gibt es auf dem neuen Album zu hören?

Viel Pathos. Anders war es von der Travestiekünstlerin kaum zu erwarten, die große Gesten liebt. Auch auf "Conchita" strotzen einige Songs vor Dramatik. In "Other side of me" begleiten Streicher eine schmachtende Conchita, die sich ganz zu sich selbst bekennt: "Tonight I'm gonna go where I wanna / say what I wanna / be who I want to ..."

Aber dann kommt auf einmal eine Swingnummer ("Where have all the good men gone?"), "Out of body experience" klingt orientalisch. Und überraschend gut. Ist das alles noch Conchita Wurst? Das Album sei ihre "ganz persönliche Tracklist", sagt Wurst, die keinen der Songs selbst geschrieben hat. Bunt zusammengewürfelte Facetten ihres stimmlichen Könnens, alle Songs sollen ihre ganz persönliche Geschichte illustrieren. Das sagen allein die Titel: "You Are Unstoppable", "Colour of your love", "Somebody to love", "Pure", "Heroes", "Other side of me".

Insofern entspricht ihr Debütalbum Conchita Wursts Mission: sich keinen (in dem Fall musikalischen) Schranken zu unterwerfen, alles auszuprobieren, sich immer wieder neu zu erfinden. Vom Ausprobieren hätte es allerdings mehr sein können, also mehr Beats statt Balladen. Im Endeffekt klingt "Conchita" nach Werbesongs oder Fahrstuhlmusik.

Bester Moment

"Colours of Your Love", zumindest die letzten Takte. Wenn nach Klaviergeklimper und einer gewohnt säuselnden Conchita ("My heart is like a battlefield / You light me up like gasoline") plötzlich flotte Elektro-Beats einsetzen und Conchitas Stimme nach Darth Vader klingt.

Schlimmster Moment

"Firestorm" ist eine einzige Qual. Über Zeilen wie "My heart is a firestorm / and all I needed was your flame" könnte man noch hinweghören. Aber mit Dancefloor-Rhythmen aus den Neunzigern und einem immer wieder geflöteten "Huhuhuuuu" übertreibt es Conchita Wurst.

Unbedingt kaufen sollten Sie das Album, wenn ...

... Sie große Gesten mögen und mit Zeilen wie "Read me like a story / In the pain there is glory / Turn into starlight, turn into gold" (aus "Somebody to love") etwas anfangen können. Wenn Sie sich nie zwischen Modern Talking, Céline Dion und Haddaway entscheiden konnten, sind sie mit "Conchita" gut beraten.

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