Debatte:Schlagfertige Frauen

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Eine Retrospektive zu Roman Polanski in der Pariser Cinémathèque ist von Feministinnen gestört worden. Über den Fall gerieten auch Kulturministerin Françoise Nyssen und die Ministerin für Geschlechtergleichstellung, Marlène Schiappa, aneinander.

Von Joseph Hanimann

Wenn in Frankreich nicht mehr nur Filmproduzenten, sondern auch renommierte Filmautoren im Verdacht sexueller Vergewaltigung stehen, wird die Sache kompliziert. Eine Retrospektive zu Roman Polanski in der Cinémathèque ist bei der Eröffnung am Montag von Feministinnen gestört worden. Protestiert wurde gegen die öffentliche Ehrung eines Mannes, der in den USA wegen Vergewaltigung einer damals Minderjährigen im Gefängnis war.

"Auslieferung!" - riefen ein paar Feministinnen vor der Pariser Cinemathek. So weit wollen zwar nur wenige gehen. Dennoch herrscht eine gewisse Verlegenheit. Die Kulturministerin Françoise Nyssen erklärte, es gehe hier nicht um die Würdigung eines Mannes, sondern eines künstlerischen Werks. Sexuelle Belästigung oder Gewalt am künstlerischen Talent des Urhebers zu messen, laufe auf Relativierung hinaus, meint dagegen die Ministerin für Geschlechtergleichstellung, Marlène Schiappa. Sie zeigte sich empört, dass die Cinémathèque im kommenden Januar mit dem wegen sexueller Gewalt verurteilten Jean-Claude Brisseau wiederum einen umstrittenen Filmautor ehren wolle. Dabei gebe es doch gewiss genug andere Autoren und vor allem Autorinnen.

Der französische Feminismus zeigt zusehends seine politisch scharfen Zähne

Als Polanski vor acht Jahren wegen eines Auslieferungsgesuchs aus den USA in der Schweiz verhaftet und dann wieder freigelassen wurde, klang es noch anders. Er stand in hohen Ehren, obwohl er die Tat bereits damals zugegeben hatte. Im vergangenen Frühjahr musste er nun aber auf den Ehrenvorsitz bei der César-Preisverleihung verzichten angesichts der wachsenden Kritik. Der französische Feminismus zeigt hinter seinen rhetorisch spitzen zusehends seine politisch scharfen Zähne. "Straflosigkeit eines Gewalttäters: eine französische Kulturausnahme", heißt polemisch ein Appell der Organisation "Osez le féminisme!", die zur Aktion vor der Cinemathek aufrief.

Auch die "MeToo"-Bewegung hat in Frankreich lautere Töne. Eine französische Variante von "#MyHarveyWeinstein" ist das von der Journalistin Sandra Muller lancierte "#BalanceTonPorc" (etwa: Schmeiß dein Schwein raus). Manchen werden die Klagen allerdings zu viel. Die Schriftstellerin Christine Angot brachte in einer Fernsehsendung eine von ihrer Geschichte mit dem notorischen Frauenbelästiger Denis Beaupin berichtende Politikerin zum Weinen mit der Bemerkung, sie könne dieses Frauen-Gejammer nicht mehr hören. Im Gegenzug sammeln andere Internetforen Berichte von schlagfertigen Frauen. Zu den besten gehört die Reaktion einer Angestellten auf ihren Chef. Er: Ihre Schönheit zieht meine Hand zärtlich an Ihren Po. Sie: Und Ihre Frechheit die meine gar nicht so zärtlich in Ihr Gesicht. Die Schriftstellerin Catherine Millet, Autorin von "Das sexuelle Leben der Catherine M.", will das Verhältnis zwischen Frauen und Männern nicht haarklein gesetzlich regeln. Vergewaltigung und Belästigung aus hierarchisch übergeordneter Position gehörten selbstverständlich vor Gericht. Aber nach wie vielen "Nein" einer Frau werde die Zudringlichkeit eines Mannes straffällig?

© SZ vom 02.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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