Generationengerechtigkeit:Die Alten haben immer recht

Generationengerechtigkeit: Wolf Schneider: Denkt endlich an die Enkel. Eine letzte Warnung, bevor alles zu spät ist. Rowohlt Verlag, Hamburg 2019. 80 Seiten, 8 Euro.

Wolf Schneider: Denkt endlich an die Enkel. Eine letzte Warnung, bevor alles zu spät ist. Rowohlt Verlag, Hamburg 2019. 80 Seiten, 8 Euro.

"Eine letzte Warnung, bevor es zu spät ist": Wolf Schneider will endlich an die Enkel denken.

Von Theresa Hein

Wolf Schneider ist 94 Jahre alt. Bekannt wurde er als Journalist und Journalistenlehrer, berüchtigt ist er als Autor für Handbücher, in denen er streng (und oft etwas kleinkrämerisch-triumphalistisch) erklärte, was seiner Ansicht nach gutes Deutsch ist und was nicht. Das Levitenlesen, Besserwissen und leidenschaftliche Schimpfen ist also seine Sache. Das neue Buch macht da keine Ausnahme, es heißt "Denkt endlich an die Enkel - Eine letzte Warnung, bevor alles zu spät ist".

Darin geht es Wolf Schneider darum, wie es so weit kommen konnte, dass der Mensch offenen Auges die eigene Lebensgrundlage zerstört. Auf dem Buchrücken steht die Frage: "Warum tut denn keiner was?"

Schneider prangert also den irren Trinkwasserverbrauch der Bevölkerung in Industrieländern an, schimpft ganz allgemein über die Maßlosigkeit, über den Massentourismus und die "Ideologie des unverzichtbaren Wachstums", und konzediert urgroßväterlich, dass Wasser, das aus dem Hahn kommt und das man einfach so trinken kann, wirklich etwas Besonderes ist.

Recht hat Wolf Schneider da im Großen und Ganzen mit vielem. Und ja, man könnte es auch begrüßen, dass Wolf Schneider sich die Mühe gemacht hat in einem verschenkbaren kleinen Buch und an historischen Fakten und Beispielen aus seinem langen Leben zu veranschaulichen, dass der Mensch dringend etwas an seinem Energieverbrauch, seinem Konsumverhalten und seiner Müllproduktion ändern muss.

Häufig fühlt man sich als Leser so, als werde man angeschrien

Aber dann gibt es eben auch Textpassagen, in denen er fragt, ob man einen "Ansturm auf Europa" hinnehmen solle, aus Anstand und Barmherzigkeit. Oder die Stelle, an der er schreibt, dass das "alte Europa" Grund habe, sich nicht besonders wohlzufühlen bei der Aussicht auf eine Milliarde Nigerianer, die es Schätzungen zufolge im Jahr 2100 geben wird. Hätte der jüngere Wolf Schneider dem alten solche Plattitüden und absurden Übertreibungen durchgehen lassen?

Sehr lustig ist auch, wenn Schneider die Gründung der Weltgesundheitsorganisation verteufelt, als habe sie sich das Manhattanprojekt zur Entwicklung der Atombombe ausgedacht: "1948 begann die WHO mit ihrem weltweiten Feldzug gegen die Seuchen und die Säuglingssterblichkeit." Dass der "Feldzug der WHO" auch dazu beigetragen hat, dass sich die durchschnittliche Lebenserwartung der Menschen in Europa in den vergangenen hundert Jahren beinahe verdoppelt hat, sagt er nicht.

Man fühlt sich als Leser häufig so, als werde man angeschrien. Worte, die dem Autor besonders wichtig sind, wurden kursiviert, und die Zwischentitel gehen so: "Batterien: Giftiger Schrott", "Ein Wahnwitz für Mensch und Tier" oder "Ausbeutung ist unser Lebenselixier".

Wirklich fatal ist allerdings, dass Wolf Schneider in diesem schmalen Buch wie manche der Älteren, die er als seine Leserinnen und Leser mit "wir" adressiert, junge Menschen kaum als eigenständige Menschen sieht, sondern nur in Relation zu sich, den Alten, die recht haben.

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