Süddeutsche Zeitung

David Lynch:Der große Bastler wird 70

Mit Filmen wie "Blue Velvet" und "Lost Highway" hat es David Lynch zu Kultstatus gebracht. Und doch experimentiert er heute lieber mit Fotos oder der Musik.

Von Fritz Göttler

Am Anfang war die Klaustrophobie. "Hier sitze ich, eingesperrt in dieses Ding. Ich kann es nicht fertigmachen. Die Welt läuft mir davon." Das Ding ist "Eraserhead", der erste Langfilm, den David Lynch machte, in den Siebzigern, mit Hilfe des unergründlich treuen Jack Nance.

Es geht um das Mysterium der Schöpfung. Das Ding ist aber auch: die Kinomaschine, die Stadt Los Angeles, an der der Junge aus Missoula, Montana, das Licht so liebte, vom ersten Tag an. Das Wall Street Journal half ihm bei "Eraserhead": Durch das Austragen desselben hat er den Film nach fünf Jahren fertigstellen können, das Geld zusammengespart, Szene für Szene.

So erzählt er es in seinem Buch "Catching the Big Fish", das ein Loblied auf die Transzendentale Meditation, die Lynch praktiziert, und zugleich eine frühe Autobiografie ist - und das nun, nach fast zehn Jahren auch auf deutsch erschien (Alexander Verlag, Berlin).

David Lynch ist ein bricoleur, ein Bastler, er hat seinen ganz eignen transzendentalen Stil geschaffen, im Kino mit "Blue Velvet", "Wild at Heart", "Lost Highway", "Mulholland Drive" und "Inland Empire". Und natürlich mit der legendären TV-Serie"Twin Peaks", die den hechelnden Serien-Hype der letzten Jahre eher mickrig erscheinen lässt. Heute arbeitet bricoleur Lynch eher an Fotos, Bildern, Druckarbeiten, Musik. Und an einer Fortsetzung von "Twin Peaks".

Klaustrophobie mit Tendenz ins Offene

Lynch liebt die Unerklärlichkeit, die verrätselte Welt, das Paralleluniversum, in das man direkt aus dem elterlichen Garten stolpert oder auf den Gleisen des alten Güterbahnhofs. Grandioses Migrantenkino: im Kino sind die Migranten Doppelgänger, Revenanten, Somnambule und, in der traurig unterschätzten Verfilmung des "Wüstenplaneten", Fremen, Atreiden und Frauen der Bene Gesserit.

Die DVD zu "Inland Empire" bietet, je nachdem welche Abfolge man klickt, diverse Varianten. Man kehrt in den Lynchfilmen immer zu dem Fenster zurück, durch das man ins Fremde geschaut hat - nun aber von der anderen Seite her. Klaustrophobie mit Tendenz ins Offene. Meditation ist nur eine besondere Form der Performance. Amerikanische Postmoderne. Die Welt ist, wie du bist, schreibt David Lynch. Am Mittwoch wird er siebzig.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2824363
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 20.01.2016/pak
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.