David Hasselhoff in Berlin:Wie Jesus bei der Wiederkunft

Beim Auftakt der "30 Years Looking For Freedom"-Tour wird klar: Wenn die Menschen auf diesem Planeten sich nur halb so sehr lieben würden wie David Hasselhoffs Fans David Hasselhoff lieben - es gäbe keine Kriege mehr.

Von Juliane Liebert, Berlin

"Wie, kein Bier?" fragt einer der Gäste an der Garderobe. "Nein, es wird kein Alkohol verkauft", kommt die Antwort, "aus irgendwelchen Gründen." Es ist der Auftakt von David Hasselhoffs "30 Years Looking For Freedom"-Tour am Mittwochabend im Friedrichstadt Palast, größere Gruppen kleiner Colaflaschen stehen auf den Tischen, und die zu den Flaschen gehörenden Menschen sind euphorisch.

Euphorisch ist untertrieben. Euphorischer. Am euphorischsten. Sprechgesänge branden durch den Saal, lange bevor David Hasselhoff auch nur in die Nähe der Bühne kommt, und als er schließlich auf die Bühne kommt, wird er begrüßt wie Jesus bei der endzeitlichen Wiederkunft, wenn der statt einer Bibel Pizza und einen Sixpack dabei hätte.

Und da steht er dann: Ein Silberpaillettenadler auf dem Rücken seiner Jacke, die erstaunlich langen, dünnen Beine in schwarzen engen Hosen, eine lebende, atmende, singende Actionfigur mit Band und drei Backgroundsängerinnen. Er singt - nun, es ist ja jetzt nicht unbedingt so, dass man Hasselhoff wegen seiner Musik liebt - aber er singt irgendwas über das Besondere in den Augen von jemandem, an dem das lyrische Ich romantisch interessiert ist, geht dabei leicht in die Knie und schaukelt einem nicht existierenden Gegenüber die imaginären Eier, deutet einen Hüftschwung an, tritt einmal in die Luft. Jubel.

Zwischen den Songs versucht er, Geschichten zu erzählen, über 1987, 1989, aber sobald es eine winzige Chance wittert, bricht das Publikum in Lobgesänge aus. David Hasselhoff versucht geschmeichelt und vergeblich, seine Fans zu beruhigen, manchmal springt einer auf die Bühne und muss von der Security entfernt werden. Es ist klar: Die Zuschauer lieben David Hasselhoff über alles. Wenn die Menschen auf diesem von Konflikten geschüttelten Planeten einander nur halb so sehr lieben würden wie David Hasselhoffs Fans David Hasselhoff lieben, gäbe es keine Kriege, keinen Hunger mehr, sondern nur erdballumfassende Lalala-Gesänge und rhythmisches Klatschen. Kann man sich überlegen, was man vorzieht.

Nach einer Stunde ist Pause, einige kurz irritiert ("Wie? Pause? Oder vorbei? Keine Zugabe? Da müssen wir aber nachfragen!"), aber nein, es geht noch anderthalb Stunden länger. Super. Nach der Pause ist Balladenzeit, "Flying On The Wings Of Tenderness", ein Cover von "You've Lost That Lovin' Feelin'", ein Cover von David Bowie's "Heroes". Dazwischen "Gipsy Girl" von 1991, eine inzwischen doch etwas aus der Zeit gefallene Liebeserklärung an ein (im Hintergrund im Video leicht bekleidet in einem Wasserfall duschendes) Model.

Zum Abschluss dann "Looking for Freedom", in der berühmten Lampenjacke und dem Klavierschal, während im Video Mitschnitte des Auftrittes vor dem Brandenburger Tor laufen, dann Bilder von der Wiedervereinigung, dann willkürliche Bilder von Menschen, die Obdachlosen helfen, oder überhaupt Menschen helfen, denn wir sind ja alle nicht zum Spaß hier. Wer hätte gedacht, dass ein Bademeister mit einem sprechenden Auto mal den Weltfrieden einleiten würde? Aber hier ist er, und als er die Bühne verlässt, ist klar: Wenn nicht er, dann keiner.

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