Straßennamen in Berlin:Nächster Halt: David-Bowie-Platz

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Eine Stadt, in der "man relativ wenig Notiz von mir nahm"? In den Siebzigern vielleicht. 1987 spielte David Bowie ein Konzert vor dem Reichstagsgebäude. Es kamen 60 000 Zuhörer. (Foto: Chris Hoffmann/dpa)

Eine Kreuzung am Berliner Kleistpark soll umbenannt werden, um David Bowies Beziehung zur Stadt zu ehren. Klingt gut, ist aber kompliziert.

Von Jan Heidtmann, Berlin

Es gibt würdevollere Orte, um einen Toten zu ehren. Die Kreuzung am U-Bahnhof Kleistpark in Berlin wirkt an diesem Nachmittag jedenfalls recht grau. Jede Menge Autos, ein Kebabstand, um die Ecke, auf der Hauptstraße, sammeln sich Tattoostudios, Handyläden und das Angebot für eine Thai-Massage. Ein Ort wie das alte Westberlin, in dem Gentrifizierung noch zur Science-Fiction zählte. Vielleicht nicht würdevoll also - aber doch mit eigener Würde.

Geht es nach der CDU Tempelhof-Schöneberg, soll diese Kreuzung demnächst David-Bowie-Platz heißen. Der Musiker hatte zwischen 1976 und 1978 in der Hauptstraße 155 gewohnt, gute hundert Meter entfernt. Am Mittwoch wollen die Christdemokraten im Bezirksparlament nun einen Prüfauftrag zur Umbenennung einbringen. Mit Bowie habe Berlin "wahrscheinlich den bedeutendsten Musiker seit Herbert von Karajan verloren, der mit dieser Stadt verbunden war", hatte schon der Musikproduzent und damalige Kulturstaatssekretär Tim Renner direkt nach dessen Tod 2016 gesagt.

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Eine eigene Straße wäre da mehr als verdient. Nur ist das - mal wieder - komplizierter als gedacht. Denn nicht jeder Anwohner ist zugleich auch Bowie-Fan und sieht die praktischen Probleme. Zudem gilt in Berlin auch bei Neubenennungen eine Geschlechterquote, und da sind jetzt erst einmal die Frauen dran. Und noch einen gravierenden Makel gibt es: Eine junge Frau berichtete 2015, gemeinsam mit einer Freundin in dessen Berliner Monaten Sex mit David Bowie gehabt zu haben - einvernehmlich zwar, doch sie war damals gerade einmal 15 Jahre alt.

Sonst ist die Debatte um neue Straßennamen in Berlin zurzeit vor allem politisch geprägt. Es geht um den Nachlass des Kolonialismus, zum Beispiel im Afrikanischen Viertel in Berlin Wedding, oder um auch sprachlich fragwürdige Adressen wie die Mohrenstraße, die nun nach dem Schwarzen Gelehrten Anton Wilhelm Amo benannt werden soll.

Unvergessen, weil ziemlich peinlich, ist auch das Gezerre um Marlene Dietrich

Abseits dieser oft hitzigen Auseinandersetzungen hat die Stadt in den vergangenen Jahren jedoch eine ganze Reihe moderner Kulturschaffender geehrt. Seit 2007 trägt eine Straße im Bezirk Marzahn etwa den Namen des Musikers Frank Zappa. Im November vergangenen Jahres wurde beschlossen, den Heinrichplatz in Kreuzberg in Rio-Reiser-Platz umzubenennen. Reiser war Sänger der Band Ton Steine Scherben, die in den 70er- und 80er-Jahren den Sound der linken Szene Westberlins bestimmten. Im Ostteil der Stadt wird dagegen derzeit der Schriftsteller und Drehbuchautor Ulrich Plenzdorf umfassend gewürdigt. Seit 1998 gibt es in der Rummelsburger Bucht bereits das Paul-und Paula-Ufer, benannt nach den Protagonisten eines seiner bekanntesten Filme. Nun soll der 2007 gestorbenen Plenzdorf auch eine eigene Straße bekommen.

Unvergessen, weil ziemlich peinlich, ist auch das Gezerre um die 1992 verstorbene Berlinerin Marlene Dietrich. Der Bezirk Schöneberg wollte sich mit ihrem Namen genauso schmücken wie der Bezirk Tiergarten. Seit 1997 ist ein Ort vor einem Musicaltheater beim Potsdamer Platz nach ihr benannt.

Für David Bowie sollte Schöneberg eine Art Kurort sein, in dem er sich von seiner exzessiven frühen Phase erholen konnte. Fotos zeigen ihn mit seinem Mitbewohner Iggy Pop beim Kaffeetrinken auf der Straße. "Nach vielen Jahren, die ich quasi unter Hochdruck in den USA gelebt hatte, war das entspannend für mich, in eine Stadt zu kommen, wo man relativ wenig Notiz von mir nahm", sagte Bowie 2002 dem Tagesspiegel.

Musikerfreundschaft: Iggy Pop und David Bowie im März 1977. (Foto: Evening Standard/Getty Images)

Trotzdem entstanden in dieser Zeit gleich drei seiner Alben, darunter "Heroes". Diese sogenannte Berliner Trilogie sei nun auch der Anlass für die CDU, die Umbenennung zu thematisieren, sagt Patrick Liesener, kulturpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion. "Wir wollen eine Debatte mit Anwohnerinnen und Anwohnern anstoßen."

Die CDU-Parlamentarier sind nicht die ersten, die auf diese Idee kamen. Kurz nach Bowies Tod 2016 wurde bereits eine Petition zur neuen Namensgebung gestartet, und vor knapp drei Jahren testete die Grünen-Bezirkspolitikerin Catherina Pieroth schon einmal die Stimmung. Eine Umbenennung war damals noch nicht möglich, das geht gemäß Berliner Vorschriften erst fünf Jahre nach dem Ableben. Pieroth lud die Anwohner dennoch zu sich ein: "Ich wollte einfach wissen, was die Menschen dazu denken."

Die Bedenken gegen einen neuen Namen, das fand Pieroth heraus, waren dann auch sehr menschlich. Denn so eine Umbenennung hat ganz praktische Folgen. Die Anwohner müssen Ausweise, Führerscheine und andere Dokumente umschreiben lassen, Freunde, Ämter und Banken müssen informiert werden. Pieroths Parteifreunde würden den Antrag der CDU dennoch "wohlwollend prüfen". Ein Fall wie Bowie erlaube auch eine Ausnahme der Geschlechterquote, meint Pieroth. Wegen der Vorwürfe, Sex mit Minderjährigen gehabt zu haben, "sollten wir uns noch etwas genauer in der Stadt umhören".

Was die lebensnahen Befürchtungen der Anwohner angeht, da bietet die CDU in ihrem Antrag immerhin einen Ausweg an. Denn nicht die gesamte Hauptstraße soll einen neuen Namen bekommen, sondern eben nur die Kreuzung am Kleistpark. Wohnhäuser wären dann nicht betroffen, allein der U-Bahnhof bräuchte einen neuen Namen: U-Bahnhof David-Bowie-Platz. Klingt doch gut.

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