Süddeutsche Zeitung

"Dating Lanzelot" im Kino:Gralssuche in Szene-Berlin

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"Sag' mir irgendeine Phantasie und dann erfülle ich sie dir!" - Wunschtraum oder Albtraum? In einer medial und konsumistisch verstrickten Gesellschaft sucht Lanzelot nach der Liebe. Eine groteske, manchmal surreale und meistens lässige Nummernrevue.

Rainer Gansera

Bettszene: die reizende Blondine beugt sich über Lanzelot (Peter Weiss): "Ich würde alles tun, was du willst!" Er, mächtig irritiert: "Wie meinst du das jetzt?" Sie, ihn herausfordernd in die linke Brustwarze kneifend: "Sag' mir irgendeine Phantasie und dann erfülle ich sie dir!" Klingt verheißungsvoll, wird aber in einer bizarren Katastrophe der Peinlichkeiten enden und spielt sich - wie alle sieben Dating-Abenteuer Lanzelots - in der komödiantisch aufgebrezelten Männerphantasie-Übergangszone von Wunschtraum zu Albtraum ab.

Schauplatz: Szene-Berlin, eine Café mit dem hübschen Namen "Zaubereck", diverse Schlafzimmer. Story: Der überaus schüchterne, vorzugsweise mit Origami-Basteleien beschäftigte Student namens Lanzelot wird von seinem libidinös versierten WG-Kumpel zum Zwecke erotischer Kontaktaufnahmen in einen Online-Dating-Dschungel geschickt. Stilistisch nimmt Regisseur Oliver Rihs den Faden seines Indie-Hits "Schwarze Schafe" wieder auf, das heißt auch sein zweiter Spielfilm ist episodisch gebaut, comic-haft gestylt und verfügt über eine erfrischende low-budget-Lässigkeit. Die typengenau besetzten Aktricen haben Charme und erhalten Raum für vorsätzlich überbordendes, theatralisches Impro-Spiel.

So präsentiert sich "Dating Lanzelot" als Nummernrevue teils grotesker, teils ins Surreale ausschweifender Dates mit ausgesucht neurotischen, verklemmten oder anderweitig durchgeknallten Kandidatinnen: von der Single-Mutter mit hyperaktivem Sohn bis zur Kontrollfreak-Domina. Manche Episoden stolpern ins Klamaukige, lassen die Gags verpuffen und laden sich misanthropisch auf. Glücklicherweise findet Rihs immer wieder den Ausweg ins Absurde und phantastisch Versponnene, besonders schön bei der finalen Bollywood-Tanznummer auf dem Alexanderplatz.

Fazit: In einer medial und konsumistisch verstrickten Gesellschaft, wo Dinge wie Eros-Sex-Beziehung leichthin verfügbar erscheinen, wird für einen braven Normalo wie Lanzelot die Suche nach der Frau des Herzens zur Gralssuche im Café "Zaubereck".

Dating Lanzelot, Deutschland 2011 - Regie: Oliver Rihs. Buch: Jann Preuss. Kamera: Oliver Kolb. Mit: Peter Weiss, Manuel Cortez, Narges Rashidi, Jule Böwe, Elzemarieke de Vos, Julia Dietze, Nike Martens, Jytte-Merle Böhrnsen, Doris Schefer, Katrin Bühring. Port-Au-Prince, 90 Minuten.

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Quelle:
SZ vom 04.09.2012
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