Das Wirken der Bill Gates-Stiftung:Gates euch denn jetzt besser?

Das humanitäre Paralleluniversum der Gates-Foundation: Ihr Jahresetat ist doppelt so hoch wie jener der Weltgesundheitsorganisation. Damit werden Prokekte unterstützt, die ohne dieses Geld gar nicht existierten. Schon melden sich Kritiker, die von Monokultur und "Anleitung zur Katastrophe" sprechen.

Sonja Zekri

Es ist eine Transaktion, die das Vorstellungsvermögen der meisten Menschen übersteigen dürfte. Der US-Milliardär Warren Buffett wird der Bill and Melinda Gates Foundation in den nächsten fünf Jahren 31 Milliarden Dollar spenden. Damit wird sich das Kapital der Gates-Stiftung auf etwa 50 Milliarden Euro verdoppeln. Der Jahresetat liegt nun bei 2,4 Milliarden Euro, doppelt so hoch wie jener der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Der Microsoft-Gründer Bill Gates verteilt mehr Geld, als es Rockefeller, Carnegie oder Soros je taten. Eine so gigantische Stiftung hat die Welt noch nicht gesehen. Geld, hatte Woody Allen einst erklärt, ¸¸ist besser als Armut. Wenn auch nur aus finanziellen Gründen." Bill Gates würden für seine Stiftung noch ein paar andere einfallen.

Bill Gates Stiftung Geld

Er ist einer von jenen Autodidakten, die lesen, lesen, lesen.

(Foto: Foto: AP)

Mit nur 241 Angestellten und einem weit gespannten Netz von Wissenschaftlern operiert die Gates-Stiftung von Seattle, Washington, aus. 30 Prozent des Etats, der im vergangenen Jahr eine Milliarde Euro betrug, gibt die Stiftung in Amerika aus, den Rest in 100 Ländern von Indonesien bis Irak. Ein Global Player in nie gekannter Größe überragt den weltweiten Markt der Hilfe.

¸¸Es ist höchste Zeit, dass Deutschland sich daran ein Beispiel nimmt", fordert Christian Osterhaus, Leiter der Marketing Abteilung der Welthungerhilfe über Buffetts Morgengabe: ¸¸Wir machen das Gegenteil: Jeder macht seine eigene Stiftung, das ist sehr kontraproduktiv." Im besten Fall, so hofft er, inspiriere das Vorbild auch hierzulande soziale Investitionen: ¸¸Mit den traditionellen Förderern etwa der Regierungen kommen wir nicht mehr weit genug."

Gates euch denn jetzt besser?

Ein Vorbild von dieser Größe ist allerdings schwer nachzuahmen. Begonnen hatte die Karriere des Philantropen Bill Gates eher unoriginell: Mitte der Neunziger hatte er US-Bibliotheken 40 000 Computer spendiert. Eine Millionen-Spende für eine Studie zur Schmerztherapie von Krebspatienten in Seattle folgte. Heute finanziert die Stiftung mit 700 Millionen Euro den United Negro College Fund für schwarze Studenten, sie hat für 200 Millionen Euro eine Impf-Initiative gegen Malaria gestartet, im Januar gingen 600 Millionen Euro an ein Kinderimpfprogramm gegen Diphtherie, Keuchhusten, Masern und Gelbfieber. Die Stiftung hat Computer in 1700 mexikanische Bibliotheken gestellt, sie leistet Katastrophenhilfe nach Erbeben wie in Pakistan oder nach Hurrikanen wie Katrina, sie unterstützt eine Universität für arme Frauen in Asien ebenso wie das Museum für Computergeschichte in Mountain View, Kalifornien.

Ob dieses Wohlfahrtsimperium ein vielversprechender Weltrettungsversuch ist in einer Zeit, in der die Staaten zwar Millionen versprechen, aber die Entwicklungshilfebudgets eher schrumpfen, oder ob es nur, wie manche höhnen, ein ¸¸Ablass-Kapitalismus" ist, der im besten Fall nichts, im schlimmsten Schlechtes bewirke, über diese Frage bekommt man sehr unterschiedliche Antworten. Verbürgt scheint aber zu sein, dass Gates sich der neuen Aufgabe mit derselben Entschlossenheit verschrieben hat wie allen vorherigen. ¸¸Er ist einer von jenen Autodidakten, die lesen, lesen, lesen. Er liest Hunderte Bücher über Immunologie und Biochemie und Biologie und stellt jede Menge Fragen, und weil er Bill Gates ist, kann er reden, mit wem er will", beschreibt ihn der New-Yorker-Autor Michael Specter.

Nicht einmal Kritiker bestreiten, dass er es geschafft hat, vernachlässigten Krankheiten wie Malaria, Tuberkulose, Gelbfieber und auch Aids wieder die nötige Aufmerksamkeit zu verschaffen. Es sind Seuchen, deren Bekämpfung für Pharmafirmen nicht lukrativ ist, weil sie vor allem im armen Afrika auftreten, dort aber, wie die Zeitschrift Lancet klagte, nach einer Formel von entsetzlicher Schlichtheit: ¸¸Über eine Million Menschen sterben pro Jahr an Malaria, fast zwei Millionen an Tuberkulose, mehr als drei Millionen an HIV/Aids." Nur zehn Prozent aller Forschungsgelder der Welt würden aufgewendet, um die Leiden von 90 Prozent der Weltbevölkerung zu kurieren. Die Stiftung tut, was sie kann, damit dies nicht so bleibt - und hat hierdurch die humanitäre Szene grundlegend verändert.

Ganze Branchen wie die Infektionsbiologie finanzieren sich inzwischen mit Geldern aus Seattle. Organisationen, die früher selbst Mittel verteilt haben, verzwergen angesichts der Gates-Milliarden. ¸¸Ihre Rolle wird in den Zeiten so gewaltiger Mittel neu geschrieben", sagt Bernhard Fleischer, Direktor des Hamburger Bernhard-Nocht-Institutes. Das Forschungsprogramm der WHO etwa, das Tropical Disease Research-Programm (TDR), habe hervorragende Medikamente und Impfstoffe hervorgebracht, ¸¸aber jetzt übernehmen sie nur noch einzelne Aspekte, nicht mehr die gesamte Entwicklung vom Labor bis zur Anwendung." Gemeinsam mit einem internationalen Konsortium von Italien bis zu den USA entwickelt Fleischers Institut derzeit einen HIV-Impfstoff, finanziert von Gates. ¸¸Die EU hätte uns nie Geld gegeben, weil die Amerikaner mitmachen, die DFG hat gar nicht so viel Geld. Aber Gates mag Netzwerke, und er hat Sinn für unkonventionelle, experimentelle Ideen", erklärt Fleischer. Hochrisiko-Wissenschaft, die sich sonst keiner leisten kann, weil die Forscher nach jahrelanger Arbeit möglicherweise vor dem Nichts stehen - Gates finanziert sie.

Und so hat Fleischer nur Lob für den wissenschaftlichen Amateur Gates, für die schnelle, aber ¸¸gnadenlose" Prüfung der Anträge, Auswahl und Kontrolle: ¸¸Jeder Dollar, den er ausgibt, ist gut ausgegeben." Nur dass kleinere Finanziers sich lustlos überwältigt zurückziehen könnten, sei eine Gefahr: ¸¸Gates fördert vor allem große Namen. Kleine, unbekanntere Teams aber brauchen oft gar nicht eine Million, sondern ein paar Tausend Dollar und dafür die kleinen Stiftungen."

Gerade die Favorisierung der High-Tech-Medizin halten Kritiker Gates vor. Die Stiftung habe ¸¸einen sehr eng gefassten Gesundheitsbegriff, der technische Eingriffe losgelöst von seinem ökonomischen, sozialen und politischen Zusammenhang betrachtet", wendet die Medizinerin Anne-Emanuelle Birn von der University of Toronto in Lancet ein. Armut, nicht mangelnde medizinische Forschung, sei aber laut Weltbank der ¸¸Killer Nummer eins". Manche Ideen, die Gates schön griffig als ¸¸Große Herausforderungen" formuliert habe, könnten die Lage der Armen sogar verschlimmern: Impfstoffe gegen Durchfallerkrankungen könnten den Druck senken, Wasserpumpen zu bauen. Sein Plädoyer für eine neue Nutzpflanze, deren Anbau allein die Massen ernähren würde, sei, wie bei jeder Monokultur, eine ¸¸Anleitung zur Katastrophe". Die Gates-Stiftung, bemängelt Katja Maurer von der Organisation Medico, könne durch ihre schiere Größe die Gesundheitspolitik eines Landes aus dem Gleichgewicht bringen, seine Aktivitäten ¸¸laufen auf eine Schwächung der globalen Institutionen hinaus". Ersteres allerdings gilt für jedes Millionenprojekt. Und noch fließen Hunderte von Stiftungsmillionen an staatliche Institutionen. Gates ist lernfähig. Als er wegen seiner glamourösen Forschungsprojekte kritisiert wurde, spendierte er Sambia für 28 Millionen Euro Moskitonetze, Medikamente und Insektizide. Er hat Geld genug, das eine zu tun, ohne das andere zu lassen.

So bleibt der heikelste Punkt der uralte Konflikt von Kapital und Moral. Ausgerechnet die Gates-Foundation, berichtet das Wall Street Journal, besitze Aktien an Pharmafirmen wie Merck oder Pfizer, Firmen also, die die Entwicklung billiger Generika stets bekämpft haben. ¸¸Zur Lockerung des Patentrechtes werden Sie von Gates kein Wort hören", sagt Maurer. Der Philosoph Slavoj Zizek wird noch grundsätzlicher: Gates Wohltätigkeit basiere auf einem Vermögen, das dieser auf Knochen der Ärmsten erworben habe, sie sei ¸¸Teil eines Spiels, in dem die humanitäre Maske nur die ökonomische Ausbeutung verbirgt".

Alles dies sind Fragen, die diskutiert und beobachtet werden müssen - die jedoch einem Kind, das in Lambarene im Malariafieber liegt, völlig gleichgültig sind.

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