"Das Palais muss brennen":Wiener Rebellion

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Mercedes Spannagel: Das Palais muss brennen. Roman. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2020. 192 Seiten, 18 Euro. (Foto: N/A)

Sie ist die linke Tochter der österreichischen Bundespräsidentin "aus einer superrechten Partei". Mercedes Spannagel begleitet eine junge Frau zwischen Lebenslust und Rebellion in der österreichischen Hauptstadt.

Von Theresa Hein

Luise ist die Tochter der österreichischen Bundespräsidentin "einer superrechten Partei". Theodor Thies ist der Sohn eines Politikers aus ebenjener Partei. Mehr braucht man über die beiden eigentlich nicht zu wissen, und Theodor Thies, genannt TT, ist eigentlich auch nebensächlich, denn Luise ist die Heldin in Mercedes Spannagels Debütroman "Das Palais muss brennen". Und das einzige, was man noch wissen muss von Luise, ist, dass sie links ist, ihre Mutter verachtet und zu Theodor sagt, dass sie "als Kinder solcher Eltern eigentlich was unternehmen müssten."

Luises Protest äußert sich in der Wahl ihrer Sexualpartner und -partnerinnen, und ihrer Anziehsachen, ihrer Lektüre, dem Versenken der Jagdgewehre im Pool, dem konsequenten Ansprechen ihrer Mutter als "Frau Bundespräsidentin" und in der Anschaffung eines Mopses, den sie "Marx" tauft. Ihre Schwester Yara rebelliert mit sehr viel Kajal und der heimlichen Karriere als Tattoo-Artist gegen die politischen Ansichten ihrer Mutter. Beide: Alkohol und Koks. Und natürlich planen sie dann noch was Großes, um die Frau Bundespräsidentin zu entlarven.

Diese junge Frau muss eine politische Haltung haben

Spannagel schreibt nicht nur politisch aktuell und trifft auf jeder Seite gekonnt die Stimme einer Jugend, die den Sozialismus in der Theorie verehrt, in der Praxis aber zu sehr am Kapitalismus in Form von Saint-Laurent-Cateye-Sonnenbrillen hängt, um sich ernsthaft damit auseinander zu setzen. Die 25-Jährige Wienerin und Maschinenbaustudentin beschreibt die an der Ungerechtigkeit der Welt krankende Luise voller Empathie. Nachdem sie mit einem Schlag aus der Plattenbau-Kindheit gerissen wird, verzweifelt sie an dem Umstand, dass sie auf einmal Teil der verachteten Elite ist. Sprachlich wirkt das nur auf den ersten Blick hingeworfen, ist aber feinsinnig und angenehm unprätentiös. Spannagel hält sich nicht groß mit Formexperimenten auf, das einzige Zugeständnis in diese Richtung ist ein Weglassen: Es gibt keine Anführungszeichen. Ein bisschen Cormac McCarthy musste also sein.

Der ist simpel, aber durch die feinen Beobachtungen wohlüberlegt anstatt lapidar. Etwa, wenn Luise zum hundertsten Mal ihren hässlichen Hund verteidigt: "Ich sagte, dass der Mops eben näher an den Dingen dran sei als wir, weil ihn die Nase nicht auf Abstand halte", oder wenn sie das Fiasko beim Wiener Opernball nacherzählt: "Wir hatten nicht die besten Plätze, als wir dem Sturm der Regierung beiwohnten, aber wir waren mittendrin und hatten noch Sekt."

"Das Palais muss brennen" begleitet eine junge Frau, die zwischen Depression und Lebenslust verzweifelt und an ihrer manisch-depressiven Weltsicht, die aber, anders als die übermännliche frühe Popliteratur der Christian Krachts und Stuckrad-Barres, eine politische Haltung haben muss - weniger, weil sie davon überzeugt ist, als vielmehr um den Boden unter den Füßen nicht zu verlieren. Das Wienerisch-Lakonische ist dabei nicht aufgesetzt, sondern minimal dosiert. Als Luise von Reportern gefragt wird, ob sie der Meinung sei, ihre Mutter solle als Bundespräsidentin zurücktreten, antwortet sie: "Ich fände es auch ok, nur mehr Tochter der Ex-Bundespräsidentin zu sein."

© SZ vom 13.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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