Das letzte Tonband Marilyns Monroes:"Ich liege auf meinem Bett, habe nur meinen BH an . . ."

"OK, Marilyn, you have it all there. It is decision time." Letzte Woche ist die Niederschrift einer Tonbandaufzeichnung aufgetaucht: Es ist voller expliziter Beschreibungen sexueller Phantasien. Hat Marilyn Monroe sich vor ihrem Tod selbst analysiert?

FRITZ GÖTTLER

Marilyn Monroe beim freien Assoziieren - was für eine erregende Vorstellung.

Das letzte Tonband Marilyns Monroes: Es ist eine unerhörte Selbstentblößung, die Marilyn bietet, und eine Selbstdarstellung dazu.

Es ist eine unerhörte Selbstentblößung, die Marilyn bietet, und eine Selbstdarstellung dazu.

Am vorigen Freitag, dem 43. Todestag des Stars, bekamen die Leser der Los Angeles Times jede Menge Material dafür, die Niederschrift einer Analyse, bei der es sich um eine der letzten Äußerungen Monroes handeln könnte.

Sie improvisiert und philosophiert, sie plappert und orakelt, mischt Privatleben und Politik, schwärmt von Shakespeare und Kennedy und nimmt dabei kein Blatt vor den Mund: ¸¸Joyce ist ein Künstler, der in die Seelen von Männern wie Frauen gleichermaßen eindringen konnte. Es macht nichts, dass er nie einen Menstruationskrampf erlebte . . ."

Vor freizügiger Sprache und expliziten Beschreibungen sexueller, körperlicher Funktionen warnt die Zeitung die Leser des Transskripts.

Von John W. Miner wurde der Text der Selbstanalyse überliefert, er war damals, im August 1962, als Staatsanwalt und Leiter der rechtsmedizinischen Abteilung des Bezirks Los Angeles in der Wohnung in Brentwood dabei, als der Tod des Stars untersucht wurde. Autopsiebefund: Tod durch eine Überdosis von Schlafmitteln. Frage: Selbstmord? Oder gar Mord? Im Rahmen seiner Untersuchungen kam Miner auch zu Monroes Psychiater, Dr. Ralph Greenson, der ihm Aufnahmen aus seiner Analysearbeit mit Monroe vorspielte. Und ihm das Versprechen abnahm, nichts von dem Gehörten weiterzutragen.

"Ich liege auf meinem Bett, habe nur meinen BH an . . ."

John W. Miner hat im Großen und Ganzen das Versprechen gehalten, hat ab und zu Monroe-Biografen mit Details geholfen oder Seymour M. Hersh, für dessen Kennedy-Buch - aber eine Verbitterung ist geblieben über all die Spekulationen: weil die Marilyn, die er auf dem Band erlebte, so gar nichts Suizidales an sich hatte.

Was Miner immer verschwieg, war, dass er eine nahezu wörtliche Mitschrift des letzten Bandes hatte, das Monroe irgendwann zwischen Mai und August 1962 machte und aus Dankbarkeit ihrem Analytiker schenkte: weil er sie, mit den großen Meistern, Freud und Joyce, die Kunst der freien Assoziation lehrte und ihr damit das Glück des Orgasmus schenkte. Was diesen angeht, da hatte sie offensichtlich ähnliche technische Fertigkeiten vorzuweisen wie Meg Ryan in dem Film ¸¸When Harry Met Sally".

Von Molly Blooms Monolog kam die Inspiration für die Aufnahme: ¸¸Hol dir ein Bandgerät. Sag was du gerade denkst. Das ist wirklich einfach. Ich liege auf meinem Bett, habe nur meinen BH an . . ." Es ist ein schwindelerregender Akt der Indiskretion, der hier vollzogen wird, von dem Mitschreibenden, aber auch von der Aufnehmenden, es ist eine unerhörte Selbstentblößung, die Marilyn bietet, und eine Selbstdarstellung dazu - man weiß natürlich, wie das in der Analyse zusammengeht. Wie durch das, was gesagt wird, das Eigentliche, das Entscheidende verschwiegen und verdrängt werden soll. Die Performance von Marilyn zielt ins Innerste zugleich und ist doch immer auch eine Art naiver Exhibitionismus.

Eine naive, durch nichts gebremste Euphorie prägt den Text. Das Glück mit Shakespeare, dessen Sätze sie intus hat und den sie so gerne spielen würde, Julia natürlich, aber auch Lady Macbeth und Königin Gertrud. Das Glück mit Clark Gable, den sie sich zum Vater wünschen würde und den sie mit Inbrunst küsste bei den Arbeiten an den ¸¸Misfits". Eine dubiose Nacht mit Joan Crawford. Und warmherzige Worte für die Ehemänner, Joe DiMaggio und Arthur Miller. Und dann natürlich der Lobpreis für den größten von allen, JFK: ¸¸Marilyn Monroe ist ein Soldat. Ihr commander in chief ist der größte und mächtigste Mann in der Welt. Die oberste Pflicht eines Soldaten ist, ihrem Commander zu gehorchen . . ." Schließlich prüft sie, vor dem Spieglein an der Wand, den eigenen Körper - auch um die künftigen Chancen in Hollywood zu taxieren. Befund: ¸¸OK, Marilyn, you have it all there. It is decision time."

Eine Frage der Entscheidung, erklären die Leute von der LA Times, ist auch, ob man dem einzigen Zeugen John W. Miner Glauben schenkt, der heute 86 ist. Dr. Greenson starb 1979 - und hat die Bänder wohl zerstört. Der Text ist obszön in seiner Enthüllung, aber großartig in seiner Mischung von Naivität und präziser Beobachtung - ein perfektes Script für eine One-Woman-Show. Ein schönes Geschenk für die Fans - ein Marilyn-Film, zu dem man die Bilder selbst produzieren darf.

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