Süddeutsche Zeitung

Das Leben der Anderen:Du bist die Massage, Pussycat!

Lesezeit: 2 min

Oralsex, fantastische Illusionen, unglaubliche Stunts - das hatten wir schon in unserer Clip-Kritik. Jetzt wagen wir uns an die wirklich krassen Sachen im Netz: süße Katzenfilme. "cat massage", das Internetvideo der Woche.

Christian Kortmann

Was ist das überhaupt, eine Katze?

Klar, wenn sie gut gelaunt sind, legen aufgefluffte angoraweiche Schmusekatzen großen Kuschelwillen an den Tag. Doch vor allem faszinieren uns die so genannten Stubentiger, weil sie Aggressivität und das unberechenbare Verhalten eines Raubtieres in einer Gestalt verkörpern, die für den Menschen gerade noch beschaulich-amüsant statt bedrohlich ist: Schon wenig größer, etwa in Schäferhund-Format, wäre die Launenhaftigkeit der Katzen lebensgefährlich und bedürfte Maulkörben, Elektrozäunen und weiterer Hannibal-Lecterscher Hochsicherheitsmaßnahmen.

In unserem ersten Clip, "cat massage", ist die Katze ganz sanft gestimmt und betätigt sich als Masseur. Der Film ist ein Musterbeispiel für die Netz-typische kollektive Produktionsweise: Bei YouTube findet sich auch eine frühere Version, in der jedoch noch kein Dialog, sondern nur das Geräusch der Kamera zu hören ist. Klasse Clip, leider fehlt sexy 70er-Musik als Soundtrack, kommentiert ein User.

Nur wenig später scheint sich jemand vom Vorschlag inspiriert haben zu lassen, und diese Clip-Fassung erscheint: Nun ist der Film mit einem Dialog unterlegt, der in einem Massagesalon spielt. Es klingt sehr nach San Francisco in den frühen 1980ern:

"Gut, dass du zur Massage gekommen bist", sagt die Katze. "Ach, Pussy, ich komm ja kaum raus, weißt du", sagt der Hund. "Ich arbeite dich jetzt mal richtig durch, von den Schultern bis zum Hintern", sagt die Katze: "I can do wonderful, wonderful things for you."

Das ist nicht unbedingt originell, aber es ist sehr gut gemacht, mit genauem Gespür für die Ästhetik des Gegenstands: Die Stimmen haben ein Geheimnis und sind perfekt auf die Bilder zugeschnitten.

Der zweite Clip, "CATS", ist zwar ebenfalls ein süßes Katzenvideo, aber zugleich sein Gegenstück: Zunächst sieht man Katzen-Abenteuer zu einem Walzer, einer ritualisiert-zeremoniellen Tanz-Musik, zu der eigentlich nichts schief gehen darf. Doch bald wird klar, dass es um genau diesen Kontrast geht. Es handelt sich nämlich um einen Zusammenschnitt von Katzen-Missgeschicken: Slapstick auf vier Pfoten.

Das Recht der Katzen auf Verarschung

Der Film zeigt Fehlleistungen der domestizierten Raubtiere, die für ihre Schwindelfreiheit, Höhenfestigkeit, Sprung- und Landefähigkeiten berühmt sind: Szenen, in denen sie die motorische Kontrolle verlieren, sind im Alltag eher selten. Wenn man mit diesen Tatzen, die über perfekten Grip verfügen, ausrutscht, dann nur auf menschgemachten, zu glattem Terrain.

Sind die Katzen-Unfälle ein Video für Katzenhasser? Nein, vorausgesetzt, dass die Tiere sich nicht verletzt haben, sehen wir eine besonders menschliche Würdigung des zweitliebsten Haustieres (Hunde sind einfach nicht zu schlagen): Schadenfreude, die sonst vor allem unter Menschen gepflegt wird, wird hier dem Tier zuteil. Auch Katzen haben ein Recht auf Verarschung.

Spektakulär scheitern kann ohnehin nur der, der etwas riskiert. Und manches gelingt ja: Eine Frau schleudert ihre Katze an die Decke, wo sie kopfüber wie eine Spinne kleben bleibt. Die Missgeschicke unterlaufen den Katzen aus Neugier und aus Überheblichkeit, wenn sie sich als überlegene Artisten einen Moment lang zu sicher fühlen. Unser Schmunzeln über die Fehlleistungen ist also grundiert vom Respekt vor den fantastischen felinen Fähigkeiten.

Am Ende von "CATS" greift eine Katze einen Schäferhund an, die alte Feindschaft. In "cat massage" massiert die Katze den Hund, eine wunderbar harmonische Auflösung der Gegensätze. Wir gucken uns beides gerne an und merken mal wieder, dass das Medium die Massage ist.

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