Das Kreuz mit dem Kippenberger-Frosch:Hängt ihn höher

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Südtirol in heller Aufregung: Papst-Besuch - und in Bozen hängt eine Kröte! Damit dem Kirchenoberhaupt nicht der Frosch im Halse stecken bleibt, zieht das Kunstwerk um.

Holger Liebs

Franz Pahl, Mitglied der Südtiroler Volkspartei, bekannt als strammer Rechtsaußen (neuestes Buch: "Die islamische Überrumpelung"), trat kürzlich in den Hungerstreik. Anlass war ein kleiner Frosch, eine Skulptur Martin Kippenbergers, zu besichtigen im Museion in Bozen.

Der Weg bis ins obere Stockwerk zum Kippenberger-Frosch ist lang und beschwerlich. Auch für den Papst, hofft man in Bozen. (Foto: Foto: dpa)

Problem Nr. 1: Der Frosch hängt am Kreuz, ist aber in der Lage, einen Bierkrug zu stemmen. Problem Nr. 2: Des Papstes Sommerurlaub in Südtirol. Problem Nr. 3 ist gleichzeitig eine Chance: Im Herbst sind Landtagswahlen. Pahl, der im Mai noch sagte, er habe mit dem Frosch kein Problem, wurde angesichts der Alarm-Schlagzeile eines Boulevardblattes von plötzlicher Amnesie befallen; er drang auf Eliminierung der blasphemischen Kröte und stellte das Essen ein. Nun erlitt er, märtyrer-like, einen Schwächeanfall und kam ins Hospital.

Eine Sommerposse? Keineswegs: Ganz Südtirol ist in heller Aufregung ("Weg mit dem Dreck!"). Diese Kröte will niemand schlucken. Es finden wöchentliche Mahngebete vorm Museion statt; der Papst soll nicht amüsiert gewesen sein. Die giftgrüne Amphibie wurde erst verhängt und nun vom Foyer in ein oberes Stockwerk umgehängt.

Die pickelige Kröte

Wir lernen daraus, dass die zeitgenössische Kunst, der ja oft vorgeworfen wird, dass sie niemanden mehr provoziere, dass sie zu marktkonform und lifestyletauglich sei, mitunter auch mal ein schwerverdaulicher Brocken sein kann - gerade im erzkatholischen Südtirol. Kippi (gestorben 1997) hätt's gefreut.

Nun kann man die pickelige Kröte aber auch als - zugegeben ironisches - Selbstporträt des leidenden Künstlers sehen: Ist der Frosch nicht auch eine malträtierte Kreatur, ein Labor-Tier seit eh und je? Wer zählt im übrigen all die Hummer, deren Lebensfäden in Haute-Cuisine-Restaurants jäh abgeschnitten werden? Jeff Koons, noch so ein Provo der Gegenwartskunst, will einen glänzenden Alu-Hummer ins Versailler Schloss hängen, dazu Marilyn Monroe mit Pink Panther am Busen. Großer Aufruhr bei französischen Kulturwächtern! Barockes Juwel droht geschändet zu werden!

Aber nein, liebe Gallier: Denkt doch mal an die Ex-Schlossherrin Marie Antoinette: Große Luxusteile, golden oder pink glitzernd, eine Koons'sche Spezialität, waren ihr nachgerade ein Pläsier. Und kommt euch bei Marilyn, die den Panther herzt, nicht eure oberste Tierschützerin Brigitte Bardot in den Sinn? Liebe Franzosen: Seid keine Frösche - und habt ein Herz für Tiere. Was aber sagen wir den Südtirolern? Vielleicht dies: Franz, der Kampf geht weiter!

© SZ vom 5.8.2008/sst - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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