Das ist schön:Gute Nacht

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Es waren einmal zwei Märchenbüchlein aus Bayern

Von Karl Forster

Mit Märchen ist es hierzulande so eine Sache. Die Sammlung der Gebrüder Grimm hat sich quasi das Monopol erobert, was zur Folge hat, dass Märchen, die nicht in einem ähnlich romantischen Tonfall gehalten sind, es schwer haben auf dem Markt. Auch was das Inhaltliche angeht, legten die Grimms einen Kanon an, der anderen Märchenerzählern Schranken auferlegt. Es ist weniger die Floskel "Es war einmal" als - anders als bei Hans Christian Andersen - vor allem das Ende, welches irgendwie glücklich zu sein hat, am besten in Verbindung mit einer Binse, wie man ein guter Mensch wird. Dass dabei ein paar (böse) Protagonisten oft auf grausame Weise ins Jenseits befördert werden, wird als Lappalie behandelt.

Der Münchner Volk Verlag widmet nun zwei Büchlein dem Märchenthema: "Das rote Seidenband" und "Der Klappermichl", einmal also "Liebesmärchen aus Bayern" und dann "Schauermärchen" aus ebendort. Die Herausgeberin Erika Eichenseer stützt sich auf den Geschichtensammler Franz Xaver von Schönwerth, einen oberpfälzischen Volkskundler aus dem 19. Jahrhundert. So viel zum Technischen. Inhaltlich betrachtet hat die Zuordnung der Märchen eine Tücke: Sie könnten auch aus Vorpommern oder sonstwoher stammen, bayerisch an ihnen ist meist lediglich der Fundort, wo also Meister Schönwerth die Geschichten sich hat erzählen lassen. Das nimmt den Geschichten nicht ihren Reiz, aber das Landestypische fehlt halt ein wenig, auch wenn bei den Liebesmärchen irgendwann ein "Bayerisches Schiff" durch die Szene fährt. Die Fregatte der Bundesmarine namens "Bayern" kann wohl nicht gemeint sein. Ansonsten geht es um Menschen "mit Herzenswärme", so die Herausgeberin, mal Prinz, mal Prinzessin, mal arm und später nicht mehr, jedenfalls um Helden und Heldinnen, die nach tausend Strapazen das Glück finden, manchmal sogar dank des Kusses auf die Lippen eines Wesens, das ganz und gar nicht küssenswert erscheint, danach aber dann doch sehr. Eichenseer betont allerdings, dass diese Geschichten nicht so recht für Kinder taugen. Da hat sie recht. Denn was will man der kleinen Tochter sagen, wenn sie fragt: "Papa, was ist bitte vierteilen?"

Dass dann bei den Schauermärchen nicht die Liebe, sondern der Grusel im Vordergrund steht, wundert nicht; höchstens die zahlenmäßig stark vertretenen Katzen als Zaubermedium. Trotzdem taugen die beiden Bände durchaus als Gute-Nacht-Lektüre, schon ihres leichten Tonfalls wegen. Auch wenn dem Lektorat entgangen ist, dass da mal ein Buchstabe fehlt und dort ein ganzes Wort, Märchen verlangen halt ein bisschen Fantasie. Und wenn diese durch ein Buch und nicht durch ein Display angeregt wird, ist das schon mal sehr schön.

© SZ vom 11.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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