Das ist schön:Erfüllte Sehnsucht

Das Münchener Kammerorchester spielt auf der "Oiden Wiesn"

Von Egbert Tholl

Die sogenannte Oide Wiesn ist ein Ort der erfüllten Sehnsucht. Selbst für diejenigen, die nach dem Konsum von etlichen Mass Bier auf der normalen Wiesn die oide nicht mehr finden, hat allein das Wissen um deren Existenz etwas Tröstliches, so in dem Sinne, die Wiesn könnte wunderschön sein, wenn man dort wäre, wo man nicht ist. So ein Gedanke lässt einen an Schubert denken, also an Musik, die über die Frage nach dem aktuellen Wiesnhit längst hinaus ist.

Aber um Schubert geht es hier gar nicht. Sondern um Jörg Widmann. Der, Komponist und Klarinettist von Gnaden, weilte einst in Dubai. Nun ist Dubai eine Stadt ohne jedes Sentiment, gut geeignet, von Sehnsüchten aller Art ergriffen zu werden. Die Aussicht auf Wüste bei 45 Grad Außentemperatur in Verbindung mit hundertprozentiger Luftfeuchtigkeit führte bei Widmann zu jener Sehnsucht, die man gemeinhin als Heimweh bezeichnet. Was tut nun ein Komponist, wenn ihn das Heimweh packt? Er komponiert. Im Falle von Widmann "Dubairische Tänze", deren einzelne Sätze Namen tragen wie "Zwiefacher", "Valse bavaroise" oder "Landler", mithin weniger das klingende Idiom der Umgebung, in der sie entstanden, verkünden dürften, also die Gesänge der Wüste, sondern viel mehr erinnern an das Absente.

Jörg Widmann schrieb schon einige solcher Herzensangelegenheiten, etwa den "Bairisch-diatonischen Marsch", ein aufreizendes Amalgam grandios zusammengesuchter Zitate, von Widmann transferiert in dessen ureigenes Klangbild. Davon ausgehend kann man erwarten, dass auch die "Dubairischen Tänze" nicht allein einer Sentimentalität frönen, sondern auch mit nach vorne preschender Kraft gegen das Heimweh angehen. Für beides, die Kraft und das wehe Gemüt, wurde nun der richtige Rahmen gefunden, in welchem die dort agierenden Profis zwischen Deeskalationsmusik und Stimmungsmache zu Gange sind.

Am heutigen Samstag spielt das Münchener Kammerorchester unter Leitung seines Chefs Clemens Schuldt die "Dubairischen Tänze" und zwar im Herzkasperl Festzelt auf der Oiden Wiesn, also am dafür richtigen Ort. Um 14 Uhr, was die Chance erhöht, dass man von der Musik noch einiges mitkriegt. Danach spielt übrigens am selben Ort Deadline die Band der Süddeutschen Zeitung. Welche Sehnsüchte diese befriedigt, kann sich jeder selbst überlegen, auf jeden Fall wird das alles sehr schön.

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