Das Internetvideo der Woche:Mut zur Lücke
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Sie sind unter uns: Menschen, die fünf Minuten lang vergeblich versuchen, einen Kleinwagen einzuparken. Und es gibt die, denen dabei vor Lachen die Kamera wackelt - die Clip-Kritik.
Christian Kortmann
Es gibt Dinge, die schafft man einfach nicht, so sehr man sich auch bemüht: Man versteht zwar genau, in welcher Situation man sich befindet, und weiß, was man theoretisch zu tun hat, doch bei der praktischen Umsetzung scheitert man immer wieder an einem Fehler, den selbst zu erkennen man nicht in der Lage ist. Deshalb arbeitet man sich verzweifelt bis besessen an der Situation ab, obwohl man die Lösung des Problems alleine - ohne Coach oder Kumpel - niemals finden wird. Und man scheint seinem Ziel näher zu kommen, wird kurz davor jedoch stets von einem Rückschlag auf den Boden der Tatsachen befördert, die da lauten: Wille allein genügt nicht immer, manchmal braucht es auch Können.
Im Clip "A woman try parking her car" gerät eine Autofahrerin aus einer alltäglichen Situation heraus in ein Drama, das sie an ihre Grenzen führt: Eine Einbahnstraße, höchstwahrscheinlich in Italien, ein silberner Kleinwagen, der mit eingeschalteter Warnblinkanlage versucht, rückwärts in eine Parklücke zu bugsieren; mindestens zwei junge Männer filmen die Fahrerin dabei, aus einer Wohnung ungefähr im zweiten Stock. Wiederholt wackelt die Kamera, weil die Filmer lachen müssen.
Eine Einbahnstraße namens Leben
Zunächst ist nicht eindeutig identifizierbar, ob es sich um eine Frau oder einen Mann am Steuer handelt, doch Zweifel werden beseitigt, als die Fahrerin die Geduld verlierend nach draußen schimpft. Im Netz kursiert der Clip als Bestätigung von Geschlechterklischees, die besagen, dass Frauen nicht einparken können. Dies ist jedoch die langweiligste und geistloseste Lesart für dieses wunderbare Filmfundstück. Denn selbstverständlich gibt es auch Männer, für die Einparken eine Hexenwissenschaft ist und die sich am liebsten leere Volksfestplätze zum Abstellen ihres Fahrzeugs suchen.
Vor unseren Augen spielt sich vielmehr ein Drama ab, das von den Herausforderungen des Lebens handelt. Wir sehen episches Scheitern im Miniaturformat: 4:14 Minuten sind absolut gesehen nicht lang, wohl aber für einen Einparkvorgang, der bei der Mehrheit der Autofahrer die 30-Sekunden-Marke nicht überschreitet. Zudem sehen wir im Clip "A woman try parking her car" nur den Versuch des Einparkens, den die Fahrerin abbricht, als ihr die Aussichtslosigkeit des Unterfangens bewusst wird. Wer weiß, wann sie mit dem Rangiermanöver begonnen hat? Sie versteht, dass diese Aufgabe ihr Können übersteigt - ohne Hilfe von außen ist nichts zu machen.
Und auf solche Unterstützung ist beim Einparken schwerlich zu hoffen, da beim Automobil der Spaß aufhört, und der Rest der Menschheit für den leidenden Auto-Idioten allenfalls Spott übrig hat. In dieser Einbahnstraße namens Leben gibt es keine Gnade, die anderen Autofahrer lassen die verzweifelte Fahrerin mit ihrem Problem allein. Ja, sie können schließlich parken, für sie wäre es ein Leichtes, sich kurz ans Steuer zu setzen und den Wagen mit einem elegant über die Schulter angepeilten Rückwärtsschwung in die Parklücke zu setzen. Doch sie rollen erbarmungslos an der Überforderten vorbei.
Rache der Kleinwagenlady
Die silberne Kiste, deren Warnblinklichter wie ein Flehen um Erlösung wirken, ruckelt hin und her, und die Schaltung stimmt in den Klagegesang der Bremsen ein: Da wird rangiert, vorwärts und rückwärts, geschaltet und gebremst, das Lenkrad mal nach links und mal nach rechts bis zum Anschlag getrieben, da werden vorne und hinten Stoßstangen geknutscht, allein: Es nützt nichts. Die Frau fährt aus der Lücke heraus, macht Pausen, in denen sie über eine neue Taktik nachdenkt - die verflixte Lücke vielleicht mal aus diesem oder jenem Winkel ansteuern?
Doch jedes Mal, wenn ihre Bemühungen die Fahrerin dem Ziel ein Stückchen näher bringen, macht sie den Fortschritt mit dem nächsten Manöver zunichte. "And every step I take / Takes me further from heaven", wie Bryan Ferry in "In Every Dream Home a Heartache" singt, was ihn schließlich an der Existenz der Möglichkeit zweifeln lässt: "Is there a heaven?"
So verzweifelt auch die Fahrerin an der Existenz der Lücke: Ihr Wagen wird immer größer und die Lücke kleiner und kleiner. Sie ist eh zu klein für mich, für meinen Wagen, sagt sie sich. Die Hände greifen verzweifelt an den Kopf, raufen die Haare, noch eine Geste des machtlosen Abwinkens, dann fährt sie weg und beweist Mut zur Lücke. Die Flucht wirkt wie eine Befreiung, es ist die beherzteste Aktion in der ganzen Einparkodyssee: von Dingen zu lassen, die einen nur Kraft kosten.
Die Frau, die vergeblich versuchte, ihren Wagen zu parken, wird nie mehr einparken oder sie wird dazulernen und weltmeisterlich einparkend in die Einbahnstraße zurückkehren: Dann gibt sie die Rache der Kleinwagenlady, die langsam rangierende Fahrer gnadenlos aushupt.