Das Internetvideo der Woche:Die gegoogelte Gegenwart

Google findet alles, ob kühne Frisuren oder Pudel liebende Sumoringer aus Ecuador. Endlich singt jemand ein Loblied auf die große Suchmaschine: Parodien über Google und Ebay.

Christian Kortmann

"Google" ist ein flutschiges Wort. Die Typographie auf der Suchmaschinen-Startseite ist abgerundet wie ein Apple-Produkt: Bunte Buchstaben aus Zuckerguss, mit denen Kinder gut lesen lernen könnten. An Festtagen werden die Buchstaben in naiver Einfachheit geschmückt: So verwandeln sich an Halloween die "o" in gruselige Kürbis-Fratzen. Google macht uns das Leben leichter und lustiger, das Internet schrumpft zum Kindergeburtstag zusammen - Google liebt uns.

Neben der ewigen Selbstfeier von Google ist es schön, dass die User etwas von dieser Liebe zurückgeben und die große Suchmaschine unseres Lebens im Clip "Just Google" mit einer Dankeshymne würdigen. Die Webcam steht auf dem Monitor, der Interpret singt nicht für uns, sondern wahrscheinlich der Google-Startseite ins Gesicht. Zur Melodie von Michael Jacksons "Beat It" preist Lex Friedman all die tollen Dinge an, die man mit Google findet. Doch zwischen den Zeilen und in der Inszenierung spart der Song von Friedman und Seth Brown nicht an Kritik.

Hits statt Beats

Sie geben Spaßanfragen ein, wie: "Lebt Zsa Zsa Gabor in Ecuador", weil man mit Google fast alles findet, nicht nur abwegige, sondern auch falsche Informationen. In den Reimen des Songs fallen unverwandte Gegenstände klanglich nah zusammen, so wie Entlegenstes in der Suchmaschine untereinander auftaucht: Ob Paris Hilton, ein menschenfressender Bär oder eine Marienerscheinung im Frühstücks-Toast.

Google hat das Denken verändert: Was immer einem entfällt, man kann es sich sofort zurückgoogeln. Zugleich ist das Gedächtnis stärker gefordert, weil das Google-Wissen in jeder Alltagssituation erwartet wird: Wenn in einer computerfernen Offline-Unterhaltung eine Frage aufkommt, die nicht sofort zu klären ist, nimmt man sich vor, sie alsbald zu googeln.

Die Netzsuche ist nicht immer zielgerichtet, sondern auch zum Selbstzweck geworden: "Use Google, it doesn't matter, what you're searching for: just google!", heißt es im Clip. Google ist die Gegenwart, es steht als zeitliche Trennwand zwischen heute und zum Beispiel der Regentschaft des King of Pop: Denn man vergisst während des Google-Songs Michael Jackson und seine Tanz-Moves vollständig: Was war nochmal "Beat It"? - Dies ist das Zeitalter der Google-Hits.

Schnöde Allverfügbarkeit

Im langgezogenen Refrain "google" stecken große Erwartungen, das Richtige zu finden, die in Ernüchterung münden: "find the picture of a poodle". Da der Pudel, den Googles Bildersuchfunktion schließlich auswirft, zudem avantgardistisch frisiert ist, hilft nur die flehende Geste in den Himmel: Google hat eine Art von Wahrheit zu bieten, die zweifelhaft ist.

Wie fast alle User haben Seth und Lex sich mit Googles Quasimonopol in der Suchmaschinenlandschaft abgefunden. Das "Google"-Gehechel am Ende des Clips wirkt zugleich ausweglos und verzweifelt: Sie sind nicht zufrieden mit dem großen G, aber sie kommen nicht drum herum.

Ihre "Google"-Parodie hat ein Vorbild: Weird Al Yankovics Ebay-Song. Der Pop-Parodist hat "I Want It That Way" von den Backstreet Boys umgedichtet und lässt seine Ebay-Käufe Revue passieren: einen pinkfarbenen Bademantel, William Shatners Toupet, ein benutztes Taschentuch von Dr. Dre, lauter Gerümpel, das er eigentlich nicht braucht, das nun aber sein Haus belagert. Yankovic zeichnet die Psychodramaturgie von Online-Auktionen nach, und der User "LiteracyLabyrinth" hat dies mit den typischen Ebay-Amateur-Produktfotos unterlegt: "Tell me why I got that Alf-Alarmclock?"

Yankovics lyrisches Ich weiß nicht, warum es das ganze Zeug erworben hat. Aber der Prozess des Kaufens war ein großer Spaß: Der Erfolg von Ebay besteht darin, dass Online-Auktionen den Homo oeconomicus herausfordern, ohne ihm großen Aufwand abzuverlangen. Die Freude am Handeln kann von zu Hause aus, ohne den lästigen Gang auf Flohmärkte, ausgelebt werden. Ebay floriert durch den Reiz seines Systems, nicht durch die Qualität seine Waren.

Fast jeden Tag erreichen ihn Päckchen mit Luftschutzfolie, singt Yankovic. Auch wenn man sie sich quasi selbst zugeschickt hat, fühlt man sich beliebter, wenn man viel Post bekommt - da ist der Mensch nicht anders als der blaue Elefant in der "Sendung mit der Maus". Hinzu kommt die Freude über die positive Bewertung für die persönlichen Zahl- und Liefergewohnheiten durch andere User. Endlich eine überschwängliche "A+++"-Note zu der es in der Schule nie gereicht hat: "They love me on e-bay". Und schließlich der ekstatische Freudenschrei: Ich biete am höchsten!

Das ist die Belohnung für die gelungene Jagd nach einer "raren Schneekugel". Nicht nur bei Ebay, auch im anderen Allverfügbarkeitsforum, Google, hat Seltenheit einen besonderen Wert: Gibt man als Suchabfrage die bizarre Kombination aus dem "Just Google"-Clip ein, "blind dates with poodle-loving ecuadorian sumo-wrestlers named al gore", so verweist sie bis zu diesem Moment nur auf den Clip selbst, ist also zum einzigartigen und damit luxuriösesten Google-Treffer geworden.

Die Kolumne "Das Leben der Anderen" erscheint jeden Donnerstag auf sueddeutsche.de. Bookmark: www.sueddeutsche.de/lebenderanderen

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