Das Hakenkreuz und seine Geschichte:Vom Unheil eines Heilszeichens

Feuerquirl mit plakatmäßiger Wirkung: Lorenz Jäger hat eine Kulturgeschichte des Hakenkreuzes geschrieben - und damit ein Standardwerk vorgelegt.

Martin Warnke

Die Karriere jenes Kreuzes mit den abgeknickten Balken, das Swastika oder Hakenkreuz genannt wurde, war spektakulär: Sie führte vom subkulturellen trüben Dämmerlicht in ein weltgeschichtliches Rampenlicht.

Swastika Hakenkreuz Kulturgeschichte Jäger

Swastika tauchen auch in der hinduistischen Mythologie auf - als Zeichen von Glück

(Foto: Foto: Reuters)

Lorenz Jäger geht allen neueren Stationen, welche das jahrtausendealte, in fast allen Kulturen und Kontinenten verbreitete Zeichen durchschritten hat, sorgfältig und umfassend nach: Wie Schliemann, nachdem er das Zeichen auf zahlreichen ausgegrabenen Gegenständen gefunden hatte, in ihm ein ,,Zeichen der Zentralsonne'' oder ein ,,Symbol des heiligen Feuers'' sah; wie die aus Amerika importierte Theosophie es zu einem kosmischen Symbol aufwertete; wie Rudyard Kipling es ,,im Sinne eines Segenswunsches'', der britische und indische Kulturen verband, als Signet wählte; wie Alfred Schuler in ihm 1895 ein Heilszeichen für ein dem Dionysischen ,,geöffnetes Leben'' sah; wie Ernst Krause 1891 in der Swastika einen ,,Feuerquirl'' arischer Provenienz erkannte.

Im Wappen des Abtes entdeckt

Um diese Zeit hat auch der kleine Hitler, wie er später in seinen Tischgesprächen berichtet, als Messdiener das Zeichen erstmals im Wappen des Abtes von Lambach gesehen.

Als Rainer Maria Rilke 1921 im Chateau de Muzot das Zeichen über der Tür zur Hauskapelle entdeckte und sich nach dessen Sinn erkundigte, hörte er, dass der Österreicher Guido von List es als ein Tarnzeichen der Templer deutete.

So geisterte das Zeichen in den Köpfen von Mystagogen herum, auch von ,,Theozoologen'' wie Jörg Lanz von Liebenfels, der es, von Alfred Kubin sekundiert, einer ,,Ariosophie'' zuordnete, bevor Hans Thoma 1913 seinem Wotan das Hakenkreuz, das auch als ,,Thors Hammer'' galt, auf die Brust zeichnete.

Stefan George hat den Veröffentlichungen seines Kreises im Bondiverlag mit der Swastika ,,ein revolutionäres Zeichen gegen die Revolution'' vorgesetzt.

Hermann Burte entwickelte mit seinem Weltanschaungsroman ,,Wiltfeber'' Hakenkreuzphantasien, die Jäger in einer etwas asymmetrischen Operation dem ,,Stern der Erlösung'' des Philosophen Franz Rosenzweig gegenüberstellt.

Propagandistische Potenziale

Schließlich gerät das Zeichen in die antisemitischen Agitationen der Freikorps und völkischer Gruppen, die Thulegesellschaft setzte es als Vereinsabzeichen ein. Zwischen 1911 und 1917 haben etwa zwölf Gruppen aus diesem Milieu, dann aber auch solche aus dem Kreis der Lebensreformer und der Jugendbewegung, sich mit dem Zeichen identifiziert.

Während Göring es 1920 in Finnland kennenlernte, schlug Hitler im gleichen Jahr ein neues Kapitel in der Geschichte der Swastika auf. All jene Vorläufer, die das Zeichen mystifiziert hatten, bezeichnete er spöttisch als ,,deutschvölkische Wanderscholaren''.

Erst Hitler hat seine propagandistischen und ästhetischen Potentiale entdeckt und entfaltet. Lorenz Jäger interessieren mehr die im Hakenkreuz angesammelten Auseinandersetzungsenergien. Ihm stellt es sich so dar, dass durch die vorgängige volkliche, erlösungsbedürftige Aufladung des Davidssterns und durch die revolutionären Stoßkräfte der bolschewistischen Zeichen Hammer, Sichel und Sterne eine kommunistische und jüdische Mitverantwortung an der ideologischen Aufladung auch der Swastika gegeben sei.

So wäre etwa der Mord von jüdischen Kommunisten an Kaiserin Alexandra, welche die Swastika besonders gepflegt hatte, ein solches Exempel, das im Gegenzug die rassistische Komponente des Hakenkreuzes verschärfte.

Fast verschwörungstheoretische Kombinationen werden an die Abenteuer des Barons Ungern-Sternberg in den mongolischen Wirren und an die Aktionen der Brigade Erhardt geknüpft, die mit Hakenkreuzen auf den Helmen gegen die jüdisch dominierte Münchener Räterepublik kämpfte.

Vom Unheil eines Heilszeichens

Es mag sein, dass ,,die Idee, dass das Hakenkreuz und der Sowjetstern als kämpfende Zeichen aufeinander bezogen waren'', in den zwanziger Jahren verbreitet war.

Doch für den Aufstieg des Hakenkreuzes zunächst in die Mitte der Partei-, dann durch das Flaggengesetz von 1935 in die Mitte der Nationalfahne, für diesen Aufstieg zum Signum einer Großmacht dürfte ein bloß reaktiver Impetus nicht ausgereicht haben.

In den interessanten Abschnitten, in denen die Beziehungen des italienischen Faschisten Julius Evola zu Gottfried Benn, der das Hakenkreuz nur einmal beiläufig erwähnt, behandelt werden, spielt dieses Motiv eines Gegensymbols denn auch ebenso wenig noch eine Rolle wie in den Forschungen des Leo Frobenius zum ,,svestikalen Menschen'' und wie in den Forschungen des verbannten Kaisers Wilhelm II., der das ,,Knielaufschema'' seiner Gorgofiguren in der Swastika stilisiert fand.

Dem Rezensenten scheint es so zu sein, dass das Medium des symbolischen Zeichens mit der argumentativen Unterfütterung oder Neuentfachung eines Streits der Historiker überfordert oder zweckentfremdet ist.

Kriegsfarben verstärken Wirkung

Hitler ließ 1920 den Münchener Goldschmied Joseph Fueß Entwürfe für ein nationalsozialistisches Parteiabzeichen ausarbeiten, unter denen er dasjenige auswählte, welches das Hakenkreuz in die alten Reichs- und Kriegsfarben Schwarz, Weiß und Rot einlagerte: ein weißer runder Schild mit dem schwarzen Hakenkreuz von einem roten Rand umfasst.

Das Hakenkreuz richtet die ,,Haken'' nach rechts, bringt sie also in einen dynamischen Lauf. Das Hakenkreuz ist auf die Spitze gestellt, so dass es nicht gesetzt und behäbig aufruht, sondern in einer schwebenden und wachen Lage verharrt.

In dieser Konfiguration war es geeignet, immer wieder Aufmerksamkeit und Spannung zu wecken und eine Anziehungskraft zu entwickeln, zumal wenn es in Fahnen mit einem dominanten Rot massenhaft wiederholt und in Reihenformationen bewegt wurde.

Durch die geradezu modernistische ästhetische Inszenierung konnte es alle konkurrierender Zeichen - den Davidstern, Hammer und Sichel - vergessen lassen. Die ,,plakatmäßige Wirkung'', die von der Industriereklame, auch der amerikanischen, inspiriert war, war Hitler offenbar wichtiger als eine diffuse, kanonisierte Sinnfracht.

Zwar sollte die Farbe Rot die soziale, das Weiß die nationale und das Hakenkreuz die antisemitische Programmatik der Partei symbolisieren, aber die raunenden Überhöhungen des Zeichens durch Alfred Rosenberg lehnte Hitler scharf ab.

Unentbehrliches Standardwerk

Karlheinz Weißmann (,,Schwarze Fahnen, Runenzeichen'', Düsseldorf 1991) hat wohl richtig gesehen, dass es Hitler darum gegangen ist, mit dem Einsatz des Hakenkreuzes die Schlagkraft der sozialistischen Propagandamittel, die er bewunderte, nicht aggressiv zu ,,stellen'', sondern sie imitativ zu überbieten, um die Arbeitermassen durch Fahnen mit abgeklärten Farben und Formen, durch ein von Weiß und Rot eingefasstes prägnantes schwarzes Zeichen zu beeindrucken und zu überzeugen.

Jägers Buch ist für die Geschichte der Swastika seit dem 19. Jahrhundert ein unentbehrliches Standardwerk. Es erschließt auch anhand neuer Quellen wichtige Etappen aus der Vorgeschichte der nationalsozialistischen Karriere dieses Zeichens. Auch möchte man hoffen, dass der Verfasser mit seinem Schlusssatz recht behält, dass ,,jenseits von kleinen marginalisierten Gruppen die Geschichte des Hakenkreuzes in Europa zu Ende ist''.

LORENZ JÄGER: Das Hakenkreuz. Zeichen im Weltbürgerkrieg. Eine Kulturgeschichte. Karolinger Verlag, Wien und Leipzig 2006. 247 Seiten, 27 Euro.

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