"Das geheime Leben der Bäume" im Kino:Mensch, Baum

Filmstill

Im Wald zuhause: der frühere Förster und Autor Peter Wohlleben.

(Foto: Constantin)

Der Wald als Wunderwelt: Der Regisseur Jörg Adolph verfilmt Peter Wohllebens Sachbuch-Bestseller und porträtiert den Autor.

Von Martina Knoben

Peter Wohlleben ist ein Mann, den man auch mal zum Grillen einladen würde. So formuliert es ein Gesprächspartner im Film, und besser kann man es kaum ausdrücken, dass der Bestsellerautor wie der nette Kerl von nebenan rüberkommt.

Die Nahbarkeit ist längst Teil seines Erfolgsrezepts geworden. 2015 hatte Wohlleben "Das geheime Leben der Bäume" veröffentlicht, in dem er den Deutschen ihren Wald erklärte, als soziales System, in dem Bäume miteinander kommunizieren, ihre Nachkommen "stillen" oder mit ihnen "kuscheln". Es war eine Sprache, die jeder verstehen konnte. Und es waren Erzählungen, die zivilisationsmatte, naturferne Leser gerne hörten: von mächtigen Pflanzen, die nicht so viel anders sind als wir (mit Vogelmiere oder Brennnessel hätte man sich womöglich nicht so bereitwillig identifiziert).

Das Sachbuch wurde ein solcher Bestseller, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis sich das Kino dafür interessieren würde. Eine Verfilmung ist aber nicht einfach, Bäume sind keine Actionhelden. Was einer der Gründe ist, warum Jörg Adolph in seinem Dokumentarfilm Wohllebens Erkenntnisse über den Wald mit einem Porträt des Autors verbindet, oder besser gesagt: zwei Stars präsentiert, den Wald und den Promi Wohlleben. Dafür hat sich der Menschenfilmer Adolph mit dem bekannten Naturfilmer Jan Haft zusammengetan ("Die Wiese - Ein Paradies nebenan").

Mehr Fakten in diesem Streit und mehr Distanz zu Wohlleben wären interessant gewesen

Hafts Waldbilder sind zum Staunen. Ehrfürchtig blickt die Kamera bei Nacht in die Kronen der Bäume und einen sternenfunkelnden Himmel hinauf; sie schwebt über Wälder, die mal grün, mal herbstlich bunt sind; und taucht in das faszinierende Lichtspiel in einem sommerlichen Laubwald ein. Wildschweine, Eichhörnchen, Vögel sind zu sehen, wie sie fressen und dadurch Samen von Buchen oder Eichen verbreiten. Wie Bäume, Blätter oder Pilze wachsen, zeigt Haft im Zeitraffer, was ein bisschen wie ein Zauberkunststück aussieht. Fürs menschliche Auge sind Pflanzen ja eigentlich viel zu langsam. Zum Zeitraffer-Trick passt das grüne Leuchten, das die Filmemacher tricktechnisch über Wurzeln und Stämme legen, wenn Wohlleben erläutert, dass Bäume schwächere Artgenossen mit Zuckerlösung versorgen. Der Wald, ein magischer Ort.

In dieser Wunderwelt an der Grenze zum Kitsch ist Wohlleben Fremdenführer, Übersetzer und Vermittler. Aber er selbst ist ebenfalls ein Star. Adolph hat in seinen Filmen immer wieder Menschen begleitet, die für ihre Sache brennen, den Verleger Gerhard Steidl für "How to Make a Book with Steidl", den Theatermacher Christian Stückl für "Die große Passion", zuletzt den Psychologen Dietmar Langer in der umstrittenen Dokumentation "Elternschule".

Nun begleitet er Wohlleben zu Talkshows und Lesungen und in dessen "Waldakademie", wo er Besuchern seine Erkenntnisse näherbringt. "Bäume würden nicht Trump wählen", erzählt er zum Beispiel, um zu illustrieren, wie sehr ihnen am gedeihlichen Miteinander liegt. "Wer pflanzt, ist doof" ist ein anderer Satz von Wohlleben, der klarmachen soll, dass sich Bäume selbst immer noch am besten fortpflanzen. Es sind kernige Sätze, die er sagt, wie in seinen Büchern, aus denen er teilweise wörtlich zitiert.

Adolph reist mit Wohlleben nach Schweden zum angeblich ältesten Baum der Welt, Old Tjikko, es ist fast wie eine Wallfahrt. Er begleitet ihn in den Hambacher Forst und nach Kanada, wo der Autor seinen Promi-Status nutzt, um Naturschutzinitiativen zu unterstützen. Der Regisseur darf Wohlleben sogar in der Badewanne filmen, wo der Autor, dessen Aktivismus ihn in einen Burn-out getrieben hatte, gerne entspannt. Mehr Nahbarkeit geht nicht. Mehr "Marke" aber auch nicht. Wohlleben ist mittlerweile ein geübter Performer; immer wieder ist sein Buch in diversen Übersetzungen werbewirksam zu sehen.

Nun kann der Wald gerade in Zeiten des Klimawandels geschickte PR gut gebrauchen. Es ist ja auch hochinteressant, was Wohlleben weiß und durch den Wald stapfend eindrucksvoll belegt. Am interessantesten sind die praktischen Überlegungen: dass die Holzernte mit schweren Maschinen etwa den Boden nachhaltig beschädigt, traditionelle Verfahren mit Pferden bodenschonender und rentabler seien. Solche Positionen haben die Forstwirtschaft gegen Wohlleben aufgebracht, mehr Fakten in diesem Streit (und mehr Distanz zu Wohlleben) wären interessant gewesen.

Schon "Elternschule" wurde so heftig kritisiert, weil Adolph seinen Hauptprotagonisten, den Psychologen Dietmar Langer, kritiklos begleitete. "Das geheime Leben der Bäume" ist noch hagiografischer, weil er über die reine Beobachtung des Direct Cinema hinausgeht, Wohllebens Thesen, Spekulationen und Erkenntnisse mit den Zauberbildern Hafts illustriert. Er könne ja schlecht "baumisch" reden, verteidigt Wohlleben im Film einmal seine die Bäume vermenschlichende Sprache. Und da hat er natürlich recht, Pflanzen sind dem Menschen eigentlich ziemlich fremd. Bäume zu beseelen und den Wald zum besseren (weil sozialeren) Gemeinwesen zu stilisieren, kann aber die Lücke nicht schließen, es macht sie nur größer.

Das geheime Leben der Bäume, D 2019 - Regie, Buch: Jörg Adolph. Naturfilmaufnahmen: Jan Haft. Kamera: Daniel Schönauer. Montage: Anja Pohl. Mit: Peter Wohlleben. Verleih: Constantin, 96 Min.

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