"Das ewige Leben" im Kino:Kunst der Misere

Kinostart - Das ewige Leben

Josef Hader als Simon Brenner (rechts) und Tobias Moretti als von einem dunklen Selbstzerstörungsdrive getriebener Polizeichef Aschenbrenner.

(Foto: Patrick Wally/Majestic-Filmverleih/dpa)

Jugendsünden, wilde Liebe, Jagd auf dem Motorrad: In "Das ewige Leben", dem vierten Wolf-Haas-Film, kehrt Josef Hader als Ermittler Brenner in die eigene Jugend zurück - was nicht ganz ungefährlich ist.

Von Fritz Göttler

Müde Krieger, abgekämpft lehnen sie an der Wand. Der alte, vielstrapazierte Spruch fällt einem ein, vom Kino, das wie ein battleground sei, Liebe und Hass, Action und Gewalt und Tod. Emotion eben, in einem Wort.

Von den beiden Kriegern ist der eine eh schon tot, und auch der andere, der Ermittler Brenner, hat vor paar Wochen eine Kugel in den Kopf bekommen. Es hat ihn auf den gefährlichsten battleground überhaupt verschlagen, die eigene Vergangenheit, die Jugend. Er ist nach Graz zurückgekehrt, in den Stadtbezirk Puntigam, ins Haus der Eltern und Großeltern, und dort versucht er nun, eine gewisse Ordnung wieder hinzukriegen. Im Haus und in seinem Leben.

Ein Fall von Nicht-Existenz

Die Kunst der Misere wird in diesem Film mit großartiger Konsequenz betrieben, es handelt sich bei Brenner - so wird es ihm zu Beginn auch offiziell, von behördlicher Seite bestätigt - um einen Fall von Nicht-Existenz. Sein Leben macht keinen Sinn, ist ohne einen Blick nach vorn. Wer den Schuss in den Brenner-Kopf abgegeben hat, darüber ist sich auch der Brenner selbst nicht sicher, ob er das selber war, mit seiner alten Walther PPK, in einem merkwürdigen Mix aus Depression und Überheblichkeitsrausch, oder ob das damit zusammenhängt, dass er zu kräftig herumgebohrt hat in der Vergangenheit, in der Zeit, als er auf der Polizeischule war mit seinen Freunden.

Einer war der Aschenbrenner, heute Polizeichef von Graz, der andere der Köck, der alles gesammelt und verhökert hat und nun der Tote an Brenners Seite ist, und dann war da noch der Saarinen, der sein Leben an dem großen Motorradsportler orientierte, aber der ist schon tot, seit der Jugendzeit, ein bisschen länger als sein Idol.

Das ewige Leben

Liebe mit tödlichem Hauch - Nora von Waldstätten, Tobias Moretti.

(Foto: Majestic Film)

Es geht um Jugendsünden in dieser Verdrängungsgeschichte, um feurige Nächte und wilde Liebe, um Jagden auf dem Motorrad. Aber was Sünde ist und warum, dazu kann die Jugend doch nur wenig sagen, diese Formel von Schuld und Sühne kennt sie nicht, die einen später im Leben so unnötig intensiv beschäftigen, und vielleicht kann, wer nicht in der Jugend mal einen Überfall versucht hat auf eine Raiffeisenbank, später nie wissen, was Leben ist.

Große antike Tragödie, mit dunklem Selbstzerstörungsdrive

Der vierte Brenner-Film, inspiriert vom gleichnamigen Roman von Wolf Haas, ist, nach dem brutalen Knochenmühlen-Thriller "Der Knochenmann" mit Josef Bierbichler, große antike Tragödie. Noch stärker als sonst scheinen die Menschen hier getrieben von einem dunklen Selbstzerstörungsdrive. Im Fall von Chef Aschenbrenner (Tobias Moretti) und seiner geliebten Frau, einer Psychiaterin (Nora von Waldstätten) kommt noch eine Sehnsucht nach abstrakter Klarheit dazu, in Form moderner Kunst.

Das Schuld-und-Sühne-Prinzip ist in diesem Film nutzlos, der Glaube an die Ursachen, an Herkunft und Verantwortung ad absurdum geführt. Sodass der Film sich am Ende zur wunderschönen Theorie des Buddy-Mythos entwickelt. Einer österreichischen Buddy-Variante, die einer einfachen und schnörkellosen Logik folgt, wie man sie kennt von Robert Musil und Thomas Bernhard, und wie man sie zuletzt gespürt hat in den Filmen von Ulrich Seidl, der Paradies-Trilogie.

"So ist das nämlich im Leben", heißt es einmal bei Wolf Haas, "das Paradies wird dir nicht nachgetragen, und ohne dass du dir ein bisschen was zuschulden kommen lässt, kommst du nicht hinein in das Paradies. Da dürfte einmal ein Mönch beim Bibel-Abschreiben einen kleinen Schreibfehler gemacht haben, jetzt haben die Leute über Jahrhunderte geglaubt, man kriegt das Paradies, indem man sich nichts zuschulden kommen lässt. Und man fliegt wegen Schuld aus dem Paradies hinaus. Also genau falsch herum."

Diese Logik der Zugehörigkeit ist weniger trostlos und zynisch, als es auf den ersten Blick scheinen mag. Selbst der Tod wird sehr pragmatisch behandelt in dieser Geschichte, im Roman und noch sehr viel stärker im Film. Der Tod und das Töten, das schon deshalb so archaisch wirkt, weil es immer einen Grund dafür gibt, wenn einer den Abzug drückt. Und immer stirbt, mehr oder weniger, auch ein Stückchen von dem, der geschossen hat. Die alten Walther-Waffen sind geblieben, als Insolvenzmasse der Jugend.

Das ewige Leben, AUS/D 2014 - Regie: Wolfgang Murnberger. Buch: Josef Hader, Wolfgang Murnberger, Wolf Haas. Nach dem Roman von Wolf Haas. Kamera: Peter von Haller. Schnitt: Evi Romen. Mit: Josef Hader, Tobias Moretti, Nora von Waldstätten, Roland Düringer, Margarethe Tiesel, Christopher Schärf, Sasa Barbul, Johannes Silberschneider. Majestic, 123 Minuten.

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