Eine unwahrscheinliche Situation", so notiert Erich Kästner am 19. April 1945 in seinem Tagebuch: "Bergfrühling und Flüchtlinge, die auf dem Heuboden schlafen; Maikäferepidemie und Flugzeuggeschwader, die man aus den Wolken aufblinken sieht; in der Ferne donnern die Reihenwürfe; Blusentausch gegen Brotmarken, Sträuße pflücken, Brennnesseln sammeln für Gemüse; Schnapsgelage und zigarettenlose Zeit; Sommerfrische und Untergang des Abendlandes!" Das Ende des Zweiten Weltkriegs ist nah, und Kästner hätte es, wie diese Sätze zwischen Angst und Idylle zeigen, weit schlimmer erwischen können - der Schriftsteller muss das Kriegsende nicht im zerbombten Berlin erleben, sondern hat sich mit einem Filmteam nach Mayrhofen in Tirol absetzen können.
"Das Blaue Buch" von Erich Kästner:Notizen gegen das Vergessen
Lesezeit: 4 min
Ansichten eines berühmten Schriftstellers: ein Blick ins Marbacher Literaturarchiv, das den Großteil von Erich Kästners Nachlass aufbewahrt.
(Foto: Jonas Schöll/DPA)Der Schriftsteller Erich Kästner führte während des Zweiten Weltkriegs ein geheimes Tagebuch - der Münchner Germanist Sven Hanuschek hat das "Blaue Buch" jetzt neu herausgegeben
Von Antje Weber
SZ-Plus-Abonnenten lesen auch:
Gesundheit
»Mental Load ist unsichtbar, kann aber krank machen«
Medizin
Ist doch nur psychisch
Liebe und Partnerschaft
»Die beste Paartherapie ist das Zusammenleben«
Altersunterschiede in der Liebesliteratur
Die freieste Liebe
Datenschutz
Staatliche Kontrolle durch die Hintertür