Das Bild der Deutschen im Weltkino:Hitlergruß und Fettanzug

Ob unbeholfene Freaks oder einfach nur Nazis: Wenn Deutsche in internationalen Filmen auftauchen, wirken sie meist recht eindimensional. In "Shanghai", der jetzt in die Kinos kommt, mimt Christopher Buchholz wieder einen ideologischen Unsympath, doch wenigstens bleibt ihm der Fettanzug erspart.

Martin Zips

Da kommt an diesem Donnerstag mal wieder so eine amerikanische Großproduktion in die deutschen Kinos - mit Stars wie John Cusack und Gong Li. Der eher durchschnittliche Film heißt "Shanghai" und spielt eben dort. Es geht um Geheimagenten, um Liebe und Verrat, um Amerikaner und Chinesen, und weil die Geschichte im Jahr 1941 angesiedelt ist, tauchen in Nebenrollen natürlich auch ein paar Deutsche als Nazis auf.

Das Bild der Deutschen im Weltkino: Christopher Buchholz bei Dreharbeiten: "Am liebsten buchen sie uns noch immer als Nazis", sagt der Schauspieler und Sohn von Horst Buchholz, 49. "Das ist schon komisch. Ich zum Beispiel bin Jude, wohne in Berlin und spreche fließend Italienisch, Englisch und Französisch. Aber dann krieg' ich wieder den Wehrmachtsoffizier."

Christopher Buchholz bei Dreharbeiten: "Am liebsten buchen sie uns noch immer als Nazis", sagt der Schauspieler und Sohn von Horst Buchholz, 49. "Das ist schon komisch. Ich zum Beispiel bin Jude, wohne in Berlin und spreche fließend Italienisch, Englisch und Französisch. Aber dann krieg' ich wieder den Wehrmachtsoffizier."

Zum Beispiel der Schauspieler Christopher Buchholz. Im Film hat der Sohn von Horst Buchholz nur wenige Sätze zu sagen. Insgesamt ist seine Rolle eher unbedeutend. Deutsche sind - wenn sie nicht gerade Marlene Dietrich, Jürgen Prochnow, Armin Mueller-Stahl oder Diane Kruger heißen - für internationale Produktionen sehr oft sehr unbedeutend. Und doch sagen diese paar Sekunden, in denen sie Deutsch sprechen viel darüber, wie uns die Welt wahrnimmt. Goethe formulierte es einmal so: "Im Deutschen lügt man, wenn man höflich ist." Wer diesen Text also weiterlesen will, der braucht viel Selbstironie. Und eine verdammt dicke Haut.

In der englischen Originalfassung des Films "Lost in Translation" etwa hört man, wie sich zwei deutsche Kleindarsteller in der Sauna neben Bill Murray miteinander auf Deutsch unterhalten. Abgehackte Sätze, harte Konsonanten - für das internationale Publikum klingt das bedrohlich und komisch zugleich: "Gehen wir raus und ha'm was Deutsches zu essen hier!", sagt der bärtige Kleine. Da fröstelt es Hauptdarsteller Bill Murray selbst bei 90 Grad. Deutsch als Gag. Als kaltes Element in einem heißen Raum.

"Ich dachte, das sind Dreharbeiten fürs japanische Fernsehen und ahnte nicht, dass mich Monate später Freunde aus Deutschland anriefen und sagten: 'Wir haben Dich gerade nackt im Kino gesehen.'" Der aus Lübeck stammende Computerlinguist Dietrich Bollmann, 45, studiert während der Dreharbeiten 2002 noch in Japan. Nebenher arbeitet er als Komparse. "Meist wusste ich gar nicht, für was ich da gerade genau vor der Kamera stand", erzählt er. Mal bucht ihn das japanische Fernsehen als deutschen Fußballhooligan, dann wieder soll er einen Nazi spielen.

Düstere Kulisse

"Als Deutscher wird man von internationalen Filmteams eher als düstere Kulisse wahrgenommen." Als er zum Sauna-Dreh in ein Tokioter Hotel bestellt wird, kennt er weder Scarlett Johansson noch Regisseurin Sofia Coppola.

Heute wird Bollmann schon mal von Touristen in Tokio gefragt, ob er den Weg zum Hotel, in dem "Lost in Translation" gedreht wurde, zufällig kennt. Nicht etwa, weil ihn die Touristen erkennen würden. Nur, weil der Film, in dem er da mitgespielt hat, heute ungemein bekannt ist. Der kleine Bärtige in der Szene, das ist Georg Eschert, 57, gelernter Fernmeldetechniker aus Halle an der Saale, heute in Japan lebend und ebenfalls Kleindarsteller in diversen asiatischen Spiel- und Werbefilmen.

Hauptberuflich arbeitet Eschert seit einigen Jahren als Zeremonienmeister in japanischen "Wedding Chapels", in denen sich Japaner nach europäischem Vorbild - das wiederum gilt als sehr romantisch - trauen lassen. Für 30 bis 40 Hochzeiten wird er monatlich gebucht. "Das ist einträglicher als 14 Sekunden neben Bill Murray, für die ich einen zehnseitigen Vertrag unterzeichnen musste, aber am Ende doch nur 200 Dollar erhalten habe."

Den Film habe er sich später im Kino angeschaut, sagt Eschert. "Recht langweilig", meint er. Im Nachhinein fand er es gar nicht so lustig, dass man sich über ihn und seine Muttersprache hier offensichtlich lustig gemacht hat. Das hätte man ihm ja auch vorher sagen können.

Deutsche, da sollte man sich keine Illusionen machen, werden in internationalen Produktionen gerne recht eindimensional dargestellt. Immer wieder heißen sie "Müller": Das war schon 1960 im Elvis-Presley-Film "G.I. Blues" so und auch sechs Jahre später in der französischen Komödie "Le grand restaurant", in der der Komiker Louis de Funés seinem deutschen Gast ein Rezept erklärt: "Muskatnuusss! Sie verstehen, Herr Müllerrr?" Unter de Funés Nase taucht gleichzeitig ein Hitler-Bärtchen als Schatten auf.

"Am liebsten buchen sie uns als Nazis"

Seitdem hat sich nicht viel verändert: Vor kurzem lag in der amerikanischen Krankenhaus-Comedy-Serie "Scrubs - Die Anfänger" ein angeblich deutscher Patient im Bett. Natürlich trug auch dieser Mann den Namen Müller. Gemimt wurde er allerdings von einem Dänen, weshalb man selbst als Deutscher Schwierigkeiten hat, ihn in der Originalfassung zu verstehen: "Warum so kalt hier?", fragt Herr Müller.

Das Bild der Deutschen im Weltkino: Im fünf Kilo schweren Fettanzug aus Blei und Silikon: Der Schüler Philip Wiegratz aus Sachsen-Anhalt in einer Szene von "Charlie und die Schokoladenfabrik". US-Regisseur Tim Burton hatte den Sohn eines Steuerberaters und einer Bankerin im Jahr 2005 als fetten Deutschen für seine Interpretation von Roald Dahls Kinderbuchklassiker gebucht, da war Philip gerade einmal zwölf Jahre alt.

Im fünf Kilo schweren Fettanzug aus Blei und Silikon: Der Schüler Philip Wiegratz aus Sachsen-Anhalt in einer Szene von "Charlie und die Schokoladenfabrik". US-Regisseur Tim Burton hatte den Sohn eines Steuerberaters und einer Bankerin im Jahr 2005 als fetten Deutschen für seine Interpretation von Roald Dahls Kinderbuchklassiker gebucht, da war Philip gerade einmal zwölf Jahre alt.

(Foto: Warner Bros.)

"Ich sollte eine Heizgiboi dabei haben oder eine brustige Krankenschwester bei mir unter die Bettdecke." Bitte? Dem US-Publikum freilich dürften solche sprachlichen Improvisationen nicht das Geringste ausmachen. Am liebsten buchen sie uns noch immer als Nazis", sagt Schauspieler Christopher Buchholz, 49. "Das ist schon komisch. Ich zum Beispiel bin Jude, wohne in Berlin und spreche fließend Italienisch, Englisch und Französisch. Aber dann krieg' ich wieder den Wehrmachtsoffizier."

Vor 25 Jahren, immerhin, durfte Buchholz einmal den türkischen Papst-Attentäter Ali Agca verkörpern. Das waren noch Zeiten. Der aktuelle Film "Shanghai" spielt wieder in den vierzigern, Buchholz ist hier ein ideologischer Unsympath, der zusammen mit Hauptdarsteller John Cusack neben Franka Potente das Schiff "Bremen" verlässt.

Erst redet Buchholz, in seiner Rolle heißt er natürlich Müller, Englisch mit starkem Akzent, dann sagt er auf Deutsch: "Ich schau nach dem Gepäck", nennt Cusack einen "Idioten" und blafft ein paar asiatische Kofferträger an ("Müller! Erste Klasse!"), bevor er in einem schwarzen Auto hinter Hakenkreuz-Wimpeln verschwindet. Sein Auftritt dauert nur Sekunden. Buchholz' Vater Horst hatte in "Das Leben ist schön" von Roberto Benigni 1997 eine weitaus tragendere Rolle - er spielte den KZ-Arzt. Wenigstens hieß der statt Müller Lessing.

Als Deutscher bist du echt für jede Rolle dankbar, die nichts mit dem Dritten Reich zu tun hat", bestätigt Pierre Semmler, 68. Bereits für den Jean-Paul Belmondo-Film "Das As der Asse" wurde Semmler als Wehrmachtsoffizier eingesetzt: "Herr General, wir haben den Dieb ihres Autos festgenommen!" 15 Sekunden - und tschüss. Auch heute noch ist Semmler stets froh, wenn er nicht die Hackenstiefel knallen lassen muss. Mit Freude erinnert er sich an einen ZDF-Traumschiff-Dreh, bei dem er als arabischer Scheich auftrat.

Assistent des Teufels

Wenn nicht Nazi, dann wahnsinnig: Torsten Voges, 49, der in "The Big Lebowski" als deutscher Nihilist Frettchen durch die Badewannen seiner Opfer jagt oder als Assistent des Teufels in der US-Fernsehserie "Eastwick" mitspielt, darf in seiner Muttersprache vor der Kamera beispielsweise verkünden: "In Bremen werden Pfannkuchen mit richtiger Butter gemacht!" Im Ausland ist so etwas ein Riesenbrüller.

Als "Doktor Lars" wiederum bekommt er in "Funny People" von seinem Patienten Adam Sandler zu hören: "Your accent makes things sound worse than they actually are." (Ihr Akzent lässt die Dinge schlimmer klingen, als sie sind.) - "Was will ich tun?", fragt der in Hamburg aufgewachsene Zwei-Meter-Mann Voges in seiner Wohnung in Los Angeles. "Man beschäftigt mich gerne als Freak. Ich bin riesig, wirke unbeholfen - und ich spreche Deutsch."

Wenigstens wurde Voges noch nie ein fünf Kilo schwerer Fett-Anzug mit Blei und Silikon verpasst, wie dem Schüler Philip Wiegratz, 18, aus Sachsen-Anhalt. US-Regisseur Tim Burton hatte den Sohn eines Steuerberaters und einer Bankerin im Jahr 2005 als fetten Deutschen für seine Interpretation von Roald Dahls "Charlie und die Schokoladenfabrik" gebucht, da war Philip gerade einmal zwölf Jahre alt.

Deutsche Jungs sind eben fülliger

Beim Casting in einem Berliner Luxushotel hatte Burton ihm gesagt, wenn er tatsächlich die Rolle des deutschen Metzgersohnes Augustus Gloop haben möchte, so müsse er noch mindestens zehn Kilo zunehmen, erinnert sich Wiegratz. Der Junge lehnte ab, die Rolle bekam er dennoch. Aber nur mit Fett-Anzug. Deutsche Jungs sind eben, zumindest wenn es nach Tim Burton geht, manchmal etwas fülliger.

Bei den Dreharbeiten in London musste Wiegratz bergeweise Süßigkeiten in sich hineinschaufeln und durch einen Schokoladensee schwimmen. Zwergenähnliche Wesen singen im Film dazu: "Augustus Gloop - so big and vile. So greedy, foul and infantile." (Augustus Gloop, so groß und widerwärtig. So gefräßig, schmutzig und infantil.) In den Drehpausen habe ihn Hauptdarsteller Johnny Depp manchmal mit Sätzen auf Deutsch aufgeheitert, sagt Wiegratz. "Einer seiner Lieblingssätze war: 'Mein Vater ist ein Stierkämpfer'."

Vielleicht ist ja Bollywood das Paradies für deutsche Darsteller. Die vom Bodensee stammende Suzanne Bernert, 29, zum Beispiel genießt es, "vor allem in den unteren indischen Kasten" ein Star zu sein. Als Akteurin einer beliebten Seifenoper verfügt die Tochter eines deutschen Zöllners im Verkehrschaos von Mumbai sogar über einen eigenen Chauffeur: "Die Menschen hier sind sehr freundlich zu mir." Selbst der gelegentliche Gruß "Heil Hitler" sei von ihren indischen Zuschauern immer ausgesprochen freundlich gemeint.

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