"Dark Shadows" im Kino:Vampire wie wir

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Höllenmaschinen auf vier Rädern und Alice Cooper als "das hässlichste Frauenzimmer der Welt": Nach 200 Jahren unter der Erde ist für den Vampir Barnabas Collins alles anders. Regisseur Tim Burton schickt in "Dark Shadows" Johnny Depp auf Zeitreise vorwärts in die 1970er - und stellt ihm Helena Bonham Carter als Psychiaterin und Eva Green als kapitalistische Hexe an die Seite.

Susan Vahabzadeh

Die Moderne ist genau genommen ein ziemlich furchterregender Ort. Barnabas Collins (Johnny Depp) ist ein Mann des 18. Jahrhunderts, unvorsichtigerweise hat er sich aber mit dem falschen Hausmädchen eingelassen - mit Angelique (Eva Green). Sie hat ihn, weil er ihr ehrlicherweise gestanden hat, dass er sie ganz und gar nicht liebt, in einen Vampir verwandelt und in einem Wald an der Küste Neuenglands verbuddelt.

Johnny Depp ist als Barnabas Collins kein schmachtender Jungvampir des aktuellen Tennie-Vampir-Booms, sondern ein Erwachsener, der gelernt hat, sich in seinem Unglück einzurichten. (Foto: Warner Bros.)

Als nun, knapp 200 Jahre später, im Jahr 1972, Bauarbeiter ihn versehentlich aus seinem Gefängnis befreien, findet er seine Heimat in einem Zustand vor, der ihn wieder und wieder erschauern lässt. Schon das Gebäude, wo einst der Wald war, ist erschreckend, vor allem das riesige, geschwungene gelbe M davor. Barnabas erkennt darin sofort das gefürchtete mephistophelische Zeichen wieder. Was das Schild bedeuten soll, auf dem steht, dort sei neun Millionen Kunden aufgetischt worden - nun ja, man muss nicht alles verstehen.

Schrecken ist eine Frage der Wahrnehmung - er liebt es, wenn die Grenzen zwischen schön und schaurig verschwimmen. Für Tim Burton ist der klassische "Frankenstein" kein Horrorfilm, sondern eine Geschichte, die davon handelt, wie sich jede Gesellschaft ihren Außenseiter erschafft; und seine Gespenster - auch in "Dark Shadows" kommen einige vor - sind selten bedrohlich: Warum sollte es nicht eigentlich etwas Gutes sein, wenn ein kleiner Junge, dessen Mutter gestorben ist, sie noch sehen kann?

"Dark Shadows" ist in diesen Sinne ein typischer Burton-Film, und richtig grausig ist hier höchstens die Hexe Angie, die im Jahr 1972 den Fischerort in Maine mit kapitalistischem Eifer im Griff hat.

Der Mangel an Ehrgefühl stört Barnabas an dieser doppelt neuen Welt, und er will den Familiensinn wieder in Ordnung bringen, als er auf dem Anwesen der Collins auftaucht. Das inzwischen heruntergekommene Haus beherbergt noch vier Collins-Nachkommen, Elizabeth (Michelle Pfeiffer), ihre Tochter Carolyn, ihren Bruder Roger und dessen wegen seiner Geistererscheinungen als irre geltenden Sohn David; dazu, zu Davids Betreuung, die Psychiaterin Julia (Helena Bonham Carter) und das neue Kindermädchen Victoria, dass Barnabas' Verlobter von einst zum Verwechseln ähnlich sieht, die Angelique ins Meer stürzen ließ.

Man hat die Pferde inzwischen durch brandgefährliche Höllenmaschinen auf vier Rädern ersetzt, der Fischereibetrieb der Collins ist pleite, im herrschaftlichen Speisesaal plärrt ein Plattenspieler, und Alice-Cooper-Fan Carolyn kleidet sich, findet Barnabas angegruselt, wie "eine Dame der Nacht". Alice Cooper, findet er, "ist das hässlichste Frauenzimmer der Welt".

Schäbige Eleganz

Tim Burton hat die TV-Soap "Dark Shadows" für seinen Film verarbeitet, die Serie lief in den USA von 1966 bis 1971 und ist legendär, weil sie, kurz nach den komischen "Munsters", das Grusel-Genre ins Fernsehen transportierte - Burton und sein ewiger Hauptdarsteller Johnny Depp sind große Fans des Originals.

"Dark Shadows" war echter Trash, eine tägliche Seifenoper, 1225 Folgen lang, mit einer hanebüchenen, hin- und herhopsenden, unübersichtlichen Handlung und dem Renommee, es mit ins Bild hängenden Mikrofonen und Anschlussfehlern nicht so genau zu nehmen.

Was Burton nun angestellt hat mit diesem Stückchen in die Jahre gekommener Pop-Kultur, ist auf jeden Fall schon mal spektakulär anzuschauen - der schäbigen Eleganz wegen, die das Haus der Collins so charmant macht, und seine Bewohnerinnen. Mit großer Lust hat Burton Michelle Pfeiffer und Helena Bonham Carter inszeniert, die ganz großartig zu diesem Haus passen und mit ihren falschen Wimpern klappern - nicht mehr ganz neu, aber wunderschön.

Die beiden Jungstars, Eva Green und Bella Heathcote (als Victoria), haben ihn da weit weniger inspiriert. Aber "Dark Shadows" ist auch ein ungeheuer musikalischer Film geworden, weit über die Originalmusik von Danny Elfman hinaus. Das Jahr 1972 kündigt sich gleich nach dem Vorspann an, wenn Victoria im Zug sitzt nach Maine, zu den Klängen von "Nights in White Satin"...

Das schönste Geschöpf, das es je gab

Man kann eine Serie wie "Dark Shadows" nur in eine Komödie übersetzen, von heute aus betrachtet ist das Original, wenn auch nicht ganz freiwillig, zum Schreien. Was ein wenig schiefgegangen ist, das ist der inhaltliche Tribut an die Seifenoper - mag sein, dass die Art, wie der Plot in "Dark Shadows" manchmal aus den Fugen gerät oder der Film zentrale Figuren aus den Augen verliert, eine Hommage an die Serie ist - im Kino funktioniert das nicht.

Das ist aber, bei all den Einfällen und den wunderbaren Charakteren, wirklich nebensächlich. Es bleibt nur zu hoffen, dass es nicht zu einem Missverständnis kommt: Mit dem derzeitigen Teenie-Vampir-Boom hat Burtons "Dark Shadows" nichts zu tun. Barnabas ist kein schmachtender Jungvampir, er ist ein Erwachsener, der gelernt hat, sich im Zweifelsfall in seinem Unglück einzurichten.

Er ist an dem Punkt in seinem Leben, wo er recht verzückt den spießigen Carpenters lauscht, und eine gewisse Weisheit entwickelt hat, für die man vielleicht 200 Jahre braucht. Einmal jammert ihm Julia vor, wie das dauernde Trinken und die Zeit ihrem Gesicht zugesetzt haben, und dass sie das Altern nicht erträgt. Und da legt er den Kopf schief und sagt: Wenn das wahr ist, müssen sie das schönste Geschöpf gewesen sein, das es je gab.

DARK SHADOWS, USA 2012 - Regie: Tim Burton. Drehbuch: Seth Grahame-Smith. Kamera: Bruno Delbonell. Mit: Johnny Depp, Michelle Pfeiffer, Helena Bonham Carter, Eva Green, Jackie Earle Haley . Warner, 113 Minuten.

© SZ vom 09.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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