Süddeutsche Zeitung

Nachruf auf den Bildhauer Dani Karavan:Verdichtete Erinnerung

In Berlin schuf er das Mahnmal für die ermordeten Sinti und Roma, in Spanien erinnerte er mit einem Werk an den Tod Walter Benjamins. Kunst und Politik, sagte er, sind nicht zu trennen. Zum Tod des israelischen Bildhauers Dani Karavan.

Von Alexandra Föderl-Schmid

Er war ein streitbarer Geist - bis zum Schluss: Dani Karavan kämpfte in den letzten Jahren seines Lebens darum, dass sein bekanntestes Werk in Israel hinter einem Vorhang verschwindet. Jenes riesige Relief aus Sandstein, das hinter der Rednertribüne in der Knesset "Jerusalem, die Stadt des Friedens" zeigt und sich eingeprägt hat in das Gedächtnis der Israelis. Ein ikonografisches Werk. Karavan verlangte die Verhüllung seines Werks im Parlament, weil er nicht einverstanden war mit der Politik der Regierung Benjamin Netanjahus. "Meiner Meinung nach kann man Kunst und Politik nicht trennen", sagt er.

Seine Werke stehen fast nur im Freien. Karavan wurde als Sohn eines Landschaftsarchitekten 1930 geboren und gestaltete begehbare Skulpturen. Meisterhaft verstand er es, sie mit der Umgebung und der Natur zu verbinden. Ihm gelang es wie nur wenigen, mit den Mitteln der Kunst Geschichte zu verorten und aktuelle Bezüge zur Gegenwart herzustellen. Er verdichtete Erinnerung in Werken aus Stein, Beton oder Stahl.

Viele seiner polnischen Verwandten hatte Karavan durch die Shoah verloren. Als man ihn bat, das Mahnmal für die von den Nazis ermordeten Sinti und Roma zu gestalten, entwarf er im Berliner Tiergarten nahe des Brandenburger Tors ein kreisrundes Wasserbecken mit schwarzem Grund. Um das Becken breitet sich ein Teppich aus Steinplatten aus, in dem die Namen von Konzentrationslagern eingraviert sind.

Sein wohl eindringlichstes Mahnmal ist im spanischen Portbou entstanden: "Passagen", ein Gedenkort für den deutschen Philosophen Walter Benjamin, der in dem Dorf an der Grenze zu Frankreich 1940 auf der Flucht vor den Nationalsozialisten starb. Eine steile Treppe führt durch einen Korridor aus rostigem Stahl hinab und gibt den Blick auf das Meer frei.

Mit der Shoah setzte sich Karavan, der Israeli, zeit seines Lebens auseinander. In Deutschland oder mit deutscher Unterstützung realisierte er die meisten seiner Kunstwerke. Hier wurde er mit Preisen wie dem Kaiserring von Goslar geehrt. Vor allem zu Nürnberg entwickelte er eine besondere Beziehung. Dort schuf Karavan die "Straße der Menschenrechte" mit den in den Himmel ragenden 27 Pfeilern und engagierte sich in der Jury für den Nürnberger Menschenrechtspreis. In Köln gestaltete er den Heinrich-Böll-Platz, vor dem Landtag in Düsseldorf die Skulptur "Tzaphon", in Regensburg das Bodenrelief "Misrach" zur Erinnerung an eine zerstörte Synagoge. Im Duisburger Innenhafen befindet sich Karavans "Garten der Erinnerung".

Wer in Berlin an der Spree am Jakob-Kaiser-Haus, in dem die Fraktionen ihren Sitz haben, vorbei geht, kann die Installation "Grundgesetz 1949" betrachten: Auf gläsernen Tafeln spiegelt sich der Text des Grundgesetzes und bietet Durchblick auf die Büros der Abgeordneten - ein Zeichen der Transparenz in einer Demokratie.

Auch in seiner israelischen Heimat hat Karavan monumentale Kunstwerke geschaffen, darunter das Negev-Brigade-Denkmal in Beer Sheva und das "Weiße Stadt"-Denkmal in Tel Aviv. Bekannt ist er in seiner Geburts- und Lebensstadt vor allem durch die Gestaltung des Platzes vor dem Habima-Theater. Dort fanden in den vergangenen Jahren Demonstrationen statt, auf denen die Absetzung von Netanjahu als Premierminister gefordert wurde. Karavan, der politische Künstler, unterstützte dies ausdrücklich. Am Samstag ist er im Alter von 90 Jahren in Tel Aviv gestorben.

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