Kunst:Damien Hirst will Tausende seiner Gemälde verbrennen

Kunst: Da hat er nicht nur einen Punkt: Damien Hirst, gerahmt vom Artwork seines NFT-Projektes "The Currency"

Da hat er nicht nur einen Punkt: Damien Hirst, gerahmt vom Artwork seines NFT-Projektes "The Currency"

(Foto: Damien Hirst and Science Ltd)

Die Kunstwerke sollen dann nur noch als NFTs virtuell existieren.

Von Alexander Menden

Im Jahre 2010 überließ Damien Hirst seinem britischen Künstlerkollegen Michael Landy für dessen Projekt "Art Bin" eins seiner Gemälde. Landy hatte befreundete Künstler gebeten, Werke einzureichen, mit denen sie nicht zufrieden waren, um sie zu verschrotten, in einem Plexiglasbehälter in der South London Gallery zu sammeln und zu einem "Monument kreativen Scheiterns" zu vereinen. Um das Schädelbild, das Hirst ohne erkennbaren Trennungsschmerz dem Mülleimer übergab, tat es Michael Landy selbst ein bisschen leid: "Ich fand es ziemlich schön", sagte er damals.

Der Kunstkritik-Doyen Robert Hughes hingegen befand kurz vor seinem Tod über Damien Hirst, es grenze schon an ein Wunder, "was so viel Geld und so wenig Talent gemeinsam hervorbringen können". Doch wer sich Damien Hirsts Kunst mit Kategorien wie Schönheit, Scheitern oder Talent nähert, hat ihren eigentlichen Sinn nicht so recht erfasst. Damien Hirst ist ein Genie des Spiels mit der Monetarisierung von Kunst, neben Jeff Koons der vielleicht größte Meister der Vermarktung und Selbstvermarktung seit Andy Warhol.

Daher war es auch nur eine Frage der Zeit, bis er die Zerstörung seiner Werke, die bei Landy noch eine konzeptuelle Geste war, nicht nur selbst in die Hand nehmen, sondern auch zum integralen Bestandteil eines Investitionsprogramms machen würde: Im kommenden Herbst wird Damien Hirst als End- und Höhepunkt eines einjährigen NFT-Projekts mit dem lapidaren Titel "The Currency" (Die Währung) Tausende seiner Gemälde in seiner Londoner Newport Street Gallery verbrennen. Danach werden sie nur noch virtuell existieren.

Täglich wird ein Kunstfeuerchen entfacht

Im vergangenen Jahr hatte Hirst "The Currency" online auf der sogenannten "Palm"-Plattform eingeführt. Palm ist eine angeblich besonders energieeffiziente Blockchain, also eine dezentrale Datenbank, auf der alle 10 000 real existierenden Gemälde des Hirst-Projekts mit sogenannten Non-Fungible Tokens (NFTs) verknüpft wurden. Kurz gesagt versah dieser Vorgang sie mit einer nicht austauschbaren digitalen Signatur und machte sie damit - zumindest innerhalb der Blockchain - einzigartig und nicht kopierbar. Ein Jahr lang existierten sie sowohl physisch als auch digital.

Die Käufer der NFTs (Stückpreis: 2000 Dollar) konnten sich aussuchen, ob sie diese in digitaler Form behalten oder gegen das physische Werk auf Papier eintauschen wollten. All jene Werke, deren Käufer sich für das NFT entschieden - etwa die Hälfte -, werden vom 9. September an in Hirsts Londoner Galerie einmalig ausgestellt und dann verbrannt. Es gibt sie dann nur noch auf der Blockchain. Täglich wird ein Kunstfeuerchen entfacht; das Ganze gipfelt im Oktober in einer Abschlussveranstaltung während der Londoner Kunstmesse Frieze, bei der Hirst die verbleibenden Gemälde den Flammen übergeben wird.

Ebenso faszinierend wie der spektakuläre Scheiterhaufen aus Tausenden Bildern ist die Marktentwicklung, die das Projekt spiegelt: Seit dem Crash der Kryptowährungen haben auch die "Currency"-NFTs auf dem Sekundärmarkt rasant an Wert verloren. Laut Heni Analytics, einem Unternehmen, das Kunstmarktdaten auswertet und Wertenwicklungen analysiert, gab es zwischen dem 30. Juli und dem 31. August 2021 gut 2000 Verkäufe von "Currency"-Arbeiten im Gesamtwert von 47,9 Millionen Dollar. Im Juni 2022 wurden bei nur noch 170 Verkäufen rund 1,4 Millionen Dollar umgesetzt. Der Wiederverkaufswert der physischen Werke scheint stabiler zu sein. So wurde im Januar eines der Originalgemälde in London für gut 22 000 Dollar verkauft.

Diese Daten sind es, die "The Currency" weit mehr definieren als die Pünktchenbilder, ganz gleich, ob man sie sich nun auf dem Smartphone ansieht oder an die Wand hängt. Sie verlieren nicht an Bedeutung, wenn man sich stattdessen an der Glut ihrer rauchenden Überreste wärmt. Hirst hat das Projekt als sein "bei Weitem aufregendstes" bezeichnet, weil es dabei, so zitiert The Art Newspaper ihn, um "die Idee von Kunst als Speicher von Reichtum" gehe. So betrachtet ist "Currency" ein Monument der Kunst als Währung, und damit die Apotheose der Hirst'schen Kunst schlechthin.

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