Daft Punk:Weglasern und fortbollern

Live, unsichtbar und abwesend: Auch nach ihrem ersten deutschen Konzert nach zehn Jahren bleibt fraglich, ob die Tanzmusik-Revolutionäre "Daft Punk" wirklich existieren.

Dirk Peitz

Schummriges Deckenlicht tauchte die Szenerie in ein fahles Goldgelb, es waren noch zwei Stunden hin, bis der eigentliche Auftritt beginnen sollte, doch schon jubelten die Leute und warfen ihre Arme in die Höhe bei jedem Break, den die Aufwärm-DJs einstreuten. Man konnte am Freitagabend in der Düsseldorfer Philipshalle gar nicht anders als an die Zeit Mitte der neunziger Jahre zurück zu denken, als auch in dieser unwirtlichen Mehrzweckhalle einmal Techno-Massenraves abgehalten worden waren.

Daft Punk in Düsseldorf: Wer kennt die Gesichter und Stimmen der Künstler?

Daft Punk in Düsseldorf: Sind sie es wirklich.

(Foto: Foto: dpa)

Es war also fast wie früher, und das war dann doch etwas bedenklich für das bevorstehende Konzert einer Popgruppe, die einmal so sehr wie keine andere zu ihrer Zeit definiert hatte, was Gegenwart und Zukunft der elektronischen Tanzmusik sein mussten.

Als Daft Punk mit ihrem Debütalbum "Homework" 1997 regelrecht explodiert waren überm Lande Pop, waren Thomas Bangalter und Guy-Manuel de Homem-Christo gerademal Anfang zwanzig. Ihre Tracks hatten die unfassbarsten Kickbässe und ungehörtesten Frequenzen, und ihre Videos waren die coolsten.

Vor allem aber wussten sie, dass jede Pop-Revolution ihren eigenen Mythos braucht, und der Mythos von Daft Punk hieß Unsichtbarkeit und Abwesenheit: Erst ließen sich Bangalter und de Homem-Christo nur bis zur Unkenntlichkeit verfremdet auf Fotografien abbilden, später trugen sie öffentlich bloß noch Roboterhelme, noch später verschwanden sie völlig.

Drei Welthits und ein Flop

Drei Alben haben sie nur aufgenommen in zehn Jahren, die beiden ersten waren Welterfolge und enthielten je einen Welthit, "Around The World" und "One More Time"; das letzte, vor zwei Jahren erschienene "Human After All" war ein Flop, ein zusammengeschustertes Machwerk, das Elektronik und Rock vereinen sollte. Eine gute Idee, aus der heute Hip-Labels wie Kitsuné und Ed Banger die neue coole Tanzmusik schöpfen. Daft Punk hatten sich einfach nicht genug Mühe gemacht, für die gute Idee auch eine gute Form zu finden.

Und nun, wie aus dem Nichts, eine Welttour. Fast zehn Jahre sind vergangen, seit Daft Punk das letzte und einzige Mal in Deutschland live in Hallen zu sehen waren, und am Freitag gegen neun Uhr abends fiel dann endlich der Vorhang.

Man sah zunächst auf der Bühne nur ein gigantisches Lichtgitter aus weißen Stäben, darin eine dreieckige Aussparung, in die eine Art Science-Fiction-Pyramide gebaut war, eine stilisierte Super-DJ-Kanzel, auf der zu den Klängen von "Robot Rock" oben zwei Gestalten in schwarzen Catsuits und silbern glänzenden Roboterhelmen auftauchten.

Dass Bangalter und de Homem-Christo sich nicht offen zeigen würden, war zwar vorhersehbar, und doch stellte sich diese Art Performance gegen zwei Grundregeln des Popkonzerts an sich: Erstens hatte man als Zuschauer keinen visuellen Eindruck des Musikmachens mehr, man sah zwei Figuren dabei zu, wie sie nur vielleicht irgendwelche versteckten Computer bedienten; zweitens wusste man nicht, ob unter den Helmen wirklich Bangalter und de Homem-Christo steckten. Das Livekonzert als Ort, an dem der Popstar vor seinem Publikum Zeugnis ablegt darüber, dass es ihn wirklich gibt und er spielen kann, wurde komplett ad absurdum geführt.

Das authentische Konzerterlebnis? Eine gigantische Suggestion!

Das hätte der totale Sieg der Musik über ihre Produktions- und Darstellungsverhältnisse sein können. Doch stattdessen entstand eine gähnende Leere beim Betrachten, die nach kompensatorischen Ersatzhandlungen auf der Bühne schrie. Daft Punk wollten das Problem wie früher schon mit einer sinnbetäubenden Lichtshow weglasern und mit einem Endlosremix ihres musikalischen Schaffens hinfortbollern.

Alle bekannten Tracks also wurden in ihre Einzelteile zerschreddert und soundtechnisch upgedatet wieder zusammengesetzt zu insgesamt vier, zum Teil halbstündige Supermixen. Doch eigentlich konnte diese Herangehensweise nichts anderes bieten als jeder halbwegs avancierte DJ, der nicht mehr nur Platten auflegt, es heutzutage kann, mithilfe von Software wie Ableton Live, an einem wahllosen Abend, in einem wahllosen Club. Nur dass Daft Punk die schickere Beleuchtung haben. Und die geilere Soundanlage.

Auch wenn die Leute in Düsseldorf dann zwischenzeitlich wieder schrien wie einst bei den Massenraves, war es doch im Kern eine traurige, kalte Veranstaltung. Visionär daran war nicht die Musik, sondern nur die Offenheit, mit der Daft Punk eine letzte denkbare Pop-Revolution inszenierten: Sie bewiesen, dass die Behauptung, allein das Konzerterlebnis sei im und am Pop noch echt, einzigartig und unwiederbringlich, selbstverständlich bloß eine gigantische Suggestion ist. Wohl dem Zuschauer, der trotzdem noch daran glaubt. Er muss glücklich sein.

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