Cruise als Stauffenberg:Ein äußerst komplizierter Patient

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Natürlich darf der Scientologe Tom Cruise den Widerstandskämpfer Stauffenberg darstellen - auch wenn urdeutsche Ängste die Gegner auf die Barrikaden treiben.

Andrian Kreye

In einer Demokratie sollte sich der Staat genauso wenig in Glaubensfragen einmischen, wie die Geistlichkeit in die Geschäfte von Politik und Regierung. Wenn sich die Bundestagsabgeordnete Antje Blumenthal, Verteidigungsminister Franz Josef Jung und das Finanzministerium dagegen aussprechen, dass Tom Cruise für den Film über den Hitlerattentäter Claus Schenk Graf von Stauffenberg am Originalschauplatz im Bendlerblock dreht, weil er Mitglied und Sprecher der Church of Scientology ist, dann überschreitet der Staat hier Grenzen, die von der Verfassung festgelegt sind. Die Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft kann kein Grund für ein wie auch immer geartetes staatliches Verbot sein.

Madrid, im September 2004: Tom Cruise bei der Einweihung des spanischen Scientology-Hauptquartiers. (Foto: Foto: dpa)

Nun geht es im Streit um Tom Cruise um viel mehr als nur um die Frage, ob sich der Hollywoodstar für eine Sekte mit totalitären Strukturen stark macht. Da kommen urdeutsche Ängste ins Spiel. Die Angst vor einer Kultur des Mammons, die Angst um die Deutungshoheit über die eigene Geschichte, vor allem aber die Angst vor einem fremdartigen Glauben, der in seiner Struktur an das finsterste Kapitel dieser eigenen Geschichte erinnert und dabei gleichzeitig Reflexe aus eben jener Zeit aktiviert. Läge das Land auf der Couch, wäre die erste Diagnose wohl: Ein äußerst komplizierter Patient, dieses Deutschland.

Nun darf man die Gefahren der Scientology nicht unterschätzen - die totalitären Strukturen, die Methoden der Gehirnwäsche, der enorme Druck auf Kritiker. Eine Massenbewegung ist die Organisation nicht. Der Verfassungsschutz geht von höchstens 6000 Mitgliedern aus. Trotzdem verwundert der Eifer, mit dem das Problem Scientology in Deutschland diskutiert wird. Nirgendwo sonst auf der Welt hat man eine solche Angst vor den Scientologen. Fast scheint es, als ob da endlich mal wieder eine Glaubensgemeinschaft so richtig gehasst werden darf, ohne dass man sich politischer Inkorrektheiten schuldig macht.

Im Ausland betrachtet man den Eifer der deutschen Scientology-Gegner mal belustigt, mal besorgt. In den Klatschpostillen freut man sich über den Ärger für Tom Cruise. Der ist nun mal seit seinen hysterischen Fernsehauftritten im vergangenen Sommer kein Sympathieträger mehr.

In Hollywood haben die Verbote aufgrund eines Glaubens jedoch ein ungutes Echo. Vor zehn Jahren protestierte man gegen die Überwachung von Scientology durch den deutschen Verfassungsschutz. Damals unterzeichneten Stars und Produzenten einen offenen Brief an den damaligen Kanzler Helmut Kohl. Viele Nicht-Scientologen schlossen sich an. Goldie Hawn, Dustin Hoffman und Steven Spielberg zum Beispiel. Die Verfolgung von Scientology erinnere an die Verfolgung der Juden, schrieben sie.

Nun kann man darüber streiten, ob die Church of Scientology überhaupt eine Glaubensgemeinschaft ist. In den USA ist die Gruppe steuerrechtlich und somit allgemeingültig als Kirche anerkannt. Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg kam am 5. April dieses Jahres zu dem Schluss, dass die Church of Scientology eine Glaubensgemeinschaft sei, der in diesem Falle in Russland das Recht zustehe, sich als religiöse Organisation anzumelden und somit das Recht auf Religionsfreiheit zu genießen.

Doch selbst wenn man dies auf der Grundlage abstreiten will, dass Scientology in Deutschland keineswegs als religiöse Organisation anerkannt ist, überschreitet der Staat mit einem Drehverbot wegen der Sektenzugehörigkeit von Tom Cruise verfassungsrechtliche Grenzen. In Artikel 4 des Grundgesetzes heißt es: "Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich." Deshalb hat das Oberverwaltungsgericht Hamburg am 24. August 1994 entschieden: "Die Scientology-Kirche genießt als Weltanschauungsgemeinschaft den Schutz des Artikel 4 GG im Bezug auf ihre Lehre."

Da spielt es keine Rolle, dass diese Lehre auf einer Schöpfungsgeschichte beruht, nach welcher der Führer der Galaktischen Konföderation Xenu vor 75 Millionen Jahren Milliarden von Wesen auf die Erde brachte, die er mit Wasserstoffbomben in die Luft jagte, die als verlorene Seelen psychische Leiden verursachen, von denen nur der Reinigungsprozess der Scientology erlösen kann. Nicht mal die Methoden, mit denen Scientology Mitglieder gefügig macht, dürfen Grund für solche Verbote sein. Straftaten kann und muss man verfolgen. Eine Weltanschauung nicht.

© SZ vom 3. 6. 2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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