Crowdfunding im Filmbereich:Alles nur geschnorrt

ZACH BRAFF  AND NATALIE PORTMAN

Den Ruhm, den ihm die TV-Serie "Scrubs" eingebracht hat, nutzte Zach Braff, um sein Regiedebüt "Garden State" auf die Beine zu stellen.

(Foto: AP)

Wird das Kino zum Sozialfall? Der Serien-Star Zach Braff ruft seine Fans im Internet dazu auf, ihm bei der Finanzierung seines neuen Films zu helfen. James Franco macht es ihm nach. Dabei geht es vor allem darum, sich mit Hilfe des Netzes künstlerische Freiheiten zu sichern.

Von Susan Vahabzadeh

Wenn irgendwer versuchen würde, eine halbe Million Dollar zusammenzubringen, indem er signierte Postkarten von seinen Gemälden im Internet verscherbelt, wäre das vermutlich ein aussichtsloses Unternehmen. James Franco aber scheint an diese Methode zu glauben: Mit Hilfe der Internetplattform Indiegogo will er so gleich drei Verfilmungen seiner Kurzgeschichten, die "Palo Alto Stories", per Crowdfunding finanzieren.

Franco ist in illustrer Gesellschaft: Demnächst ist Paul Schraders Film "Canyons" Film fertig, eine Zusammenarbeit mit Bret Easton Ellis - finanziert mit Crowdfunding über die Website Kickstarter. Genau da hat vor ein paar Wochen Zach Braff seinen neuen Film angepriesen - von vorneherein war diese Aktion aber umstritten: Braff hat fast ein Jahrzehnt lang die Hauptrolle in der Krankenhaus-Sitcom "Scrubs" gespielt, und die gehörte zu den erfolgreichsten amerikanischen Shows. Für einen wie ihn ist es einerseits unendlich leicht, bei seinen Fans das Budget für einen Film zusammenzuschnorren - andererseits glaubt ihm niemand, dass er das wirklich nötig hat.

Braff und Franco setzen auf den Idealismus ihrer Fangemeinde

Ein rührend bescheidener Auftritt: Braff stellte den Plot seines Filmprojekts "Wish I Was Here" vor - und seine kleinen Sehnsüchte: Er würde, wenn das Geld reicht, furchtbar gern auf Film drehen, nicht digital. Das dürfte geklappt haben: Zwei Millionen Dollar wollte er zusammenbekommen, am Ende wurden es mehr als drei.

Kann es wirklich sein, dass einer, der im Fernsehen ein Star ist und mit seinem Regiedebüt einen respektablen Erfolg hatte, keine andere Möglichkeit hat, ein Filmprojekt durchzubringen? Braff hat 2004 seinen ersten eigenen Film gemacht, "Garden State" - er verfilmte sein eigenes Drehbuch, mit sich selbst und Natalie Portman in den Hauptrollen. Ein Blockbuster war "Garden State" zwar nicht, denn aus so einem Stoff werden keine gemacht: Braff spielte einen jungen Mann, der sich dagegen wehrt, dass er seit Kindertagen Psychopharmaka nehmen muss, er erkämpft sich sozusagen sein Recht auf die schmerzliche Seite des Lebens. "Garden State", für zweieinhalb Millionen Dollar gedreht, spielte in den USA immerhin das zehnfache seiner Produktionskosten ein und gewann jede Menge Preise. Braff wurde von vielen Kritikern als Hoffnungsträger unter den ganz jungen Regisseuren ausgerufen.

Crowdfunding im Filmbereich ist in den Neunzigern entstanden

In "Wish I Was Here" - Braff hat das Drehbuch mit seinem Bruder geschrieben und will selbst wieder die Hauptrolle übernehmen - geht es um einen identitätssuchenden Familienvater, der sich in eine Superhelden-Welt hineinträumt. Kate Hudson hat er schon unter Vertrag und Jim Parsons aus "Big Bang Theory". Wenn man sich Braffs Kickstarter-Bewerbung durchliest, ist bald klar, dass er diesen Film auch anders hätte finanzieren können - er will sich nur nicht reinreden lassen, er will sich mit dem Crowdfunding eine Freiheit in der Arbeit sichern, die es im Filmgeschäft ansonsten nicht mehr gibt. James Franco formuliert es ganz ähnlich. Beide setzen auf den Idealismus ihrer Fangemeinde.

Das Crowdfunding im Filmbereich ist in den Neunzigern entstanden, weil Regisseure im Internet einerseits die Chance sahen, sich ihr Publikum in aller Welt zu suchen, und dort auch die Finanzierung für Filme zu finden, die bei keiner herkömmlichen Filmfirma eine Chance hätten. Die meisten Produzenten wollen keine Nischenprojekte machen, sondern auf ein Riesenpublikum hoffen können (das sie dann oft trotzdem nicht erreichen). Da kann das Internet ein Orakel sein: Auf Plattformen wie Kickstarter kann ein Filmemacher vorab herausfinden, wie viele Leute sich für sein Projekt interessieren - zumindest die 46 000 Spender für "Wish I Was Here" werden sich den Film mutmaßlich auch anschauen, wenn er eines Tages fertig ist. Schon das allein wird diese Methode auch für große Studios attraktiv machen.

Jedem gehört ein Stückchen Film

Der Filmemacher Timo Vuorensola hat "Iron Sky" (2012) zum Teil mit Crowdfunding finanziert, obwohl er eine Produktionsfirma im Rücken hatte und Gelder aus diversen Fördertöpfen - er hat also vorgemacht, wie es geht. Trotzdem meldete er während der Filmfestspiele in Cannes in einem Interview mit dem Branchenblatt Hollywood Reporter erste Zweifel an der Methode an, vor allem an ihrem inflationären Gebrauch. Er stelle, sagte Vuorensola, Braffs Motive gar nicht in Frage: "Aber ich mache mir Sorgen, dass das System von den Studios ausgenutzt wird, und das schadet uns allen." Wenn es erst einmal so ist, dass die Fans befürchten müssen, einem Konzern auf den Leim zu gehen, wenn sie Geld für einen Film spenden - dann wird der selbe Idealismus, mit dem sie Projekte unterstützt haben, sie wieder vertreiben.

Das Crowdfunding schafft eine zusätzliche Bindung an einen Film, die Werbung und Marketing nie herstellen könnten: Jeder, der ein paar Euro investiert hat, fühlt sich zugehörig zum Projekt. Jedem gehört ein Stückchen Film - und ab einer bestimmten Summe kann man sich oft sogar selbst darin verewigt sehen, als Komparse. Bei Braff war das für 2500 Dollar zu haben.

Alle wollen bei einem Film mitreden

Viele amerikanische Filmemacher beklagen, dass es immer schwieriger wird, einen kreativen Ansatz zu verteidigen gegen eine Vielzahl von Leuten, die mitreden wollen - Studiobosse, Produzenten, die Marketingabteil. Auch weit jenseits von Hollywood - es gibt eine Flut unabhängig produzierter Filme, und nur wenige Erfolgsgeschichten. Eigentlich ist "Garden State" mit einem zweistelligen Millionen-Gewinn ja rentabel, aber ein Gewinn von zehn Millionen Dollar gilt inzwischen im amerikanischen Filmgeschäft als Peanuts.

Daran mag es liegen, dass Crowdfunding längst kein Phänomen mehr ist, bei dem es nur um kleine Nischenfilme geht. Eher schon wird gerade eine Mainstream-Masche daraus: Der Film zur Fernsehserie "Veronica Mars" wird auch eine Kickstarter-Produktion werden, in Europa hat Luc Besson es mit einer eigenen Website versucht - er wollte sogar so eine Art von der Internet-Gemeinde getragenes Filmstudio entstehen lassen. Das hat allerdings bislang nicht besonders gut funktioniert. Bessons " Weareproducteurs" hat aktuell nur den Thriller "A l'aveugle" fertiggestellt, und der war in Frankreich ein Flop.

Es ist trotzdem einiges in der Mache, was aus dem Netz finanziert ist: Charlie Kaufman ("Being John Malkovich") hat im vergangenen Jahr seinen Trickfilm "Anomalisa" per Crowdfunding gedreht, in Deutschland hat die Produktionsfirma Brainpool sich ihren Etat für einen "Stromberg"-Film im Netz zusammengesucht, als Vorfinanzierung - gedreht wird gerade, und wenn der Fernseherfolg "Stromberg" auch im Kino ein Hit wird, bekommen die Mini-Investoren ihr Geld zurück.

Die Zukunft des Films liegt nicht im Crowdfunding

Genau so lief es bei Braff nicht - dafür hat er dann auch einiges an Kritik einstecken müssen: Braff, der bei "Scrubs" einige Millionen Dollar Gage jährlich bekam, sammelte Spenden, je nach Höhe gibt es als Belohnung den Soundtrack als Datei oder das Drehbuch. Sollte sich "Wish I Was Here" als profitabel erweisen, hat nur er selbst etwas davon. Dennoch wehrt er sich gegen Vorwürfe, er hätte sich seine Freiheit auch selbst leisten können - er werde ohnehin eigenes Geld zuschießen und die Rechte international verkaufen müssen. Dann kam aber doch heraus, dass noch ein Investor mit eingestiegen ist - was zu weiterer Kritik im Netz führte. James Franco war da klüger: Er kündigt in seinem Internet-Auftritt für "Palo Alto Stories" an, den gesamten Profit der Filmreihe, sollte es denn einen geben, einer nichtkommerziellen Organisation zu spenden, die sich um kranke Kinder kümmert.

Ein System, mit dem das amerikanische Kino sich langfristig die ersehnte künstlerische Freiheit zurückerobern kann, ist Crowdfunding am Ende nicht. Je häufiger die Branchenblätter über neue Projekte berichten, die so finanziert werden sollen, desto klarer ist: Hier liegt sie nicht die Zukunft, das Kino ist ja kein Sozialfall. Die Spender werden müde, besonders, wenn sie sich ausgenutzt fühlen. Und das wird dann auch die kleinen Filme betreffen, die tatsächlich keine andere Chance haben, finanziert zu werden.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: