Nachruf auf Creed Taylor:Der Bub von Ipanema

Nachruf auf Creed Taylor: Sein Talent lag hinter der Bühne, aber da bewirkte er Großartiges: Creed Taylor in den Siebzigerjahren.

Sein Talent lag hinter der Bühne, aber da bewirkte er Großartiges: Creed Taylor in den Siebzigerjahren.

(Foto: Michael Ochs Archives)

Strippenzieher, Produzent, Labelmacher - und irgendwann davor Jazz-Trompeter: zum Tod des einzigartigen Creed Taylor.

Von Jonathan Fischer

Es fing alles mit einem Anruf von Charlie Byrd an. Creed Taylor war leitender Produzent des Jazz Labels Verve Records, als ihm der Jazz-Gitarrist diese neue Musik vorspielte, die er von einer Tournee durch Brasilien mitgebracht hatte. Sie hieß Bossa Nova. Und weil Taylor liebte, was er hörte, ließ er sein Talent spielen, die richtigen Musiker mit den richtigen Sounds und der richtigen Verpackung zusammenzubringen. Richtig im Sinne des Marktes. Denn wenn der Bossa Nova in den Folgejahren mit seinen lasziven Rhythmen und gepflegt exotischen Sounds sowohl den Jazz , als auch den Pop zum Tanzen brachte, dann stand vor allem die musikalische Vision eines Mannes dahinter, der selbst einmal als Jazz-Trompeter angefangen hatte, bald aber einsah, dass sein Talent womöglich doch mehr hinter als auf der Bühne lag: Als Strippenzieher, Produzent, Labelmacher jedenfalls wurde Creed Taylor zu einer einzigartigen Marke. Einem Trickster, der mit Soul-, Funk- und Easy Listening-Aromen die Schrebergartenkultur des Jazz aufbrach. Der mit Künstlern wie Jimmy Smith, Wes Montgomery, Herbie Mann oder Grover Washington einen höchst erfolgreichen Crossover-Sound schuf. Und der selbst in den Hip-Hop-Annalen seine Spuren hinterließ. Wer kennt nicht Bob James' "Nautilus" oder Grover Washingtons "Hydra" oder "Mister Magic" als Sample von A Tribe Called Quest bis Amy Winehouse?

Nachruf auf Creed Taylor: Creed Taylor 2005 in einem Studio in New York.

Creed Taylor 2005 in einem Studio in New York.

(Foto: Jack Vartoogian/Getty Images)

Doch egal, was Creed Taylor anfasste: Ob er John Coltrane und Ray Charles Anfang der 60er Jahre zu Impulse! Records brachte, er einige Jahre später George Benson auf seinem eigenen Label CTI zum Durchbruch verhelfen sollte, Herbie Hancock, Milt Jackson und Ron Carter poptauglich aufbereitete, oder auch mit der fantastischen Soulsängerin Esther Phillips Klassiker wie "From A Whisper To A Scream" produzierte - immer blieb er vor allem der Pate des Bossa Nova. Er hatte 1962 Charlie Byrd und Stan Getz für "Jazz Samba" zusammengebracht. In wenigen Stunden in einer schwarzen Kirche in Washington D.C. aufgenommen, schoss das Album dank Songs wie "Desafinado" an die Spitze der Pop-Charts. Eine Million verkaufte Kopien! Und das für ein Jazz-Album! Zwei Jahre später setzte Taylor noch eins drauf: Das 1964 von ihm produzierte Album "Getz/Gilberto" blieb fast zwei Jahre lang in den Billboard Charts, erhielt vier Grammys und bereicherte die Menschheit um den - nach "Yesterday" von den Beatles - wohl meistgecoverten Song der Popgeschichte: "The Girl From Ipanema". Taylor hatte den Mut gehabt, die melancholische Melodie um den Gesang von Astrud Gilberto, der musikalisch nicht ausgebildeten Frau des brasilianischen Gitarristen Joao Gilberto, zu bereichern - was dann gerade den gebrochenen Charme des Hits ausmachte.

Als Taylor anfing, hatte er keine Vorbildung - aber er brachte jede Menge Enthusiasmus mit

"Ich wollte Musiker für Menschen gut klingen lassen, die keine Vorbildung für Jazz oder improvisierte Musik haben", erklärte der Produzent sein Credo. Als weißer Farmerssohn war er im segregierten Süden in Virginia aufgewachsen, ließ sich aber schon als Zehnjähriger von den Big Band Sounds begeistern, die ihm das Radio zuspielte. Ohne Vorbildung, aber mit jeder Menge Enthusiasmus ergatterte er Anfang der 50er Jahre einen Produzenten-Job beim Label Bethlehem Records. 1956 wechselte er zu ABC-Paramount, wo er eines der bedeutendsten Imprints der Jazz-Geschichte aus der Taufe hob: Impulse! Nicht nur verpflichtete er John Coltrane - "A Love Supreme", "Africa Brass" und "Crescent" - erschienen später bei dem Label. Taylor machte auch das Album-Cover - dicke Pappe, laminierte Cover mit künstlerischen Fotografien - zum Teil eines Gesamtkunstwerks. Eine Linie, die er später bei Verve oder seinem eigenen Label CTI beibehielt. Der Jazz verdankt dem als schüchtern und introvertiert geltenden Macher nicht nur Hits. Sondern vor allem ein Welt- und Kunst-offenes Gesicht. Am Dienstag verstarb Creed Taylor an den Folgen eines Herzinfarktes. Er wurde 93 Jahre alt.

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