Süddeutsche Zeitung

"Creed III - Rocky's Legacy" im Kino:Fäuste, die zerstören wollen

Der Held der "Rocky"-Filmreihe heißt schon lange Adonis Creed, und in "Creed III - Rocky's Legacy" droht der Erfolg ihn träge zu machen. Wäre da nicht ein besonders komplexer Widersacher.

Von Sofia Glasl

Die Luft vibriert vor Spannung, als das Licht im Stadion aus- und die Nebelmaschinen angehen. Feuerwerkskörper knallen in die Dunkelheit und schreiben den Namen des Box-Weltmeisters in den Nachthimmel: Creed. Sein Publikum erwartet den großen Auftritt von ihm, innerhalb wie außerhalb des Rings. Das sind die Regeln des Spiels, und Adonis "Donny" Creed (Michael B. Jordan) beherrscht sie wie kein Zweiter. Er hat alles erreicht.

Aber kann dies ein Film aus der "Rocky"-Filmreihe sein, angetrieben von ihrem legendären Herz für die Underdogs? Wie passt das zu einer Saga, in der Ruhm und Dominanz im Ring nie von Dauer sein konnten? Sylvester Stallone erschuf die Formel von der Überwindung aller Widerstände vor bald fünfzig Jahren, er schrieb sich "Rocky" Balboa selbst auf den Leib, sechsmal in Folge, und trotz Ruhm und Erfolg und Siegen musste er immer wieder vor dem Scheitern stehen - sonst wäre Rocky nicht Rocky gewesen.

Nach dieser Logik ist Rockys Schützling Adonis Creed nun in Gefahr, weil er selbst längst alles erreicht hat - symbolisiert auch durch die Tatsache, dass sein Mentor Rocky - und damit Sylvester Stallone - erstmals gar nicht mehr mitmacht. In "Creed III - Rocky's Legacy" genießt Adonis den Weltruhm, hat eine erfolgreiche Ehefrau aus dem Musikbusiness, eine gemeinsame Tochter und ein Haus in den Hollywood Hills. Seine Traumata, der Tod des Vaters und die Kindheit in Pflegeheimen und Jugendgefängnissen, scheinen überwunden zu sein. Was nun?

Nun steht da eines Tages auf dem Parkplatz einer, der weniger Glück hatte als er. Nach einem halben Leben ist Donnys ehemals bester Freund Damian "Dame" Anderson (Jonathan Majors) aus dem Gefängnis entlassen worden. In ihrer gemeinsamen Jugendzeit galt er als der kommende Champion, nicht Donny - der trug ihm eher die Boxhandschuhe hinterher. Jetzt bittet Damian den strahlenden Weltmeister, sein Trainer zu werden. Er will alles nachholen, was ihm verwehrt geblieben ist.

Der neue Kämpfer träumt nicht den unschuldigen Traum der "Rocky"-Saga

Ist damit ein neuer Underdog gefunden, hungrig wie nie, wird der Staffelstab abermals weitergegeben? Nicht so hastig - da würde man auch Ryan Coogler unterschätzen, der seit den "Creed"-Filmen die Rolle des Erzählers von Stallone übernommen hat. Seine Figuren sind nie einfach und eindimensional, das sah man schon an seinem vielfach ausgezeichneten Drama "Nächster Halt: Fruitvale Station" und auch an seinen beiden "Black Panther"-Filmen, mit denen er das Marvel-Universum um Stil, Relevanz und Coolness bereichert hat.

Denn Damian träumt nicht einfach den unschuldigen Traum der "Rocky"-Saga, alle Härten zu überwinden, sich aus tiefster Erniedrigung ganz nach oben zu boxen. Tief drinnen sind seine Motive weitaus finsterer - er will vor allem Rache, er will Gerechtigkeit, und er will das Leben des Mannes zerstören, der so viel mehr Glück hatte als er. So finster und trügerisch waren die Kampfmotive in der Filmreihe noch nie. Derart angegriffen, muss auch der selbstzufriedene Weltmeister noch einmal alle Kräfte sammeln - für einen finalen Showdown, einen Bruderkampf.

Das hat Ryan Coogler nicht mehr selbst inszeniert, er lieferte im Wesentlichen nur noch die Story, überließ das Drehbuch seinem Bruder Keenan und die Regie dem Hauptdarsteller Michael B. Jordan, der damit sein Debüt hinter der Kamera gibt. Das merkt man dem überfüllten Plot auch ein wenig an, die Story ist unnötig komplex und schweift gelegentlich auf Nebenschauplätze ab. Dass sie trotzdem einen Fokus hat, ist vor allem Jonathan Majors als Damian zu verdanken. Majors hat gerade einen Lauf, er war im Blaxploitation-Western "The Harder They Fall" und in Spike Lees Vietnam-Drama "Da 5 Bloods" zu sehen, und als neuer Superbösewicht Kang aus "Ant-Man and the Wasp: Quantumania" steht er bei Marvel vor großen kommenden Aufgaben.

Als Damian knistert Majors förmlich vor Selbstgerechtigkeit, Trauer und Wut, seine brachiale, unberechenbare Gewalt zerschlägt die Oberflächlichkeit des Sport-Spektakels um Creed. Aber da ist noch mehr - ein selbstgefälliger Seitenblick hier, ein herausforderndes Nicken dort zeigen an, dass er ebenfalls ein Showman ist, der sogar zwischenzeitlich den Hauptdarsteller Michael B. Jordan in den Schatten stellt. Das macht Damian zu einem der besten, weil komplexesten Widersacher im "Rocky"-Universum, der sogar eine bislang unangetastete Prämisse der Filmreihe aushebelt: die moralische Eindeutigkeit, mit der dem Titelhelden die Herzen seines Publikums zufliegen sollen.

Creed III: Rocky's Legacy, USA, 2022 - Regie: Michael B. Jordan. Buch: Keenan Coogler, Zach Baylin. Kamera: Kramer Morgenthau. Mit: Michael B. Jordan, Tessa Thompson, Jonathan Majors, Wood Harris, Phylicia Rashad. Warner Bros. Pictures, 116 Minuten. Kinostart: 2. März 2023.

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