Verrückt nach Mary (1998)
Beim Interview erzählte Ben Stiller vor einiger Zeit, dass er heute noch einen roten Kopf bekomme, wenn er an die Premiere dieses Films denke: "Ich hatte meine Eltern eingeladen, die neben mir saßen. Erst in dem Moment, als das Licht ausging, fiel mir ein, was wir in diesem Film alles angestellt hatten, und ich fragte mich panisch, ob es eine gute Idee war, sie mitzunehmen." Wie er einen schrecklichen Unfall mit dem Reißverschluss seiner Abschlussballhose hat und die energischste Masturbationsszene der Filmgeschichte hinlegt, haben die Regie-Brüder Peter und Bobby Farrelly aber mit der Zärtlichkeit großer Slapstickkünstler inszeniert. Der Film ist im Gegensatz zu vielen anderen Komödien aus seiner Entstehungszeit bestens gealtert und macht immer noch das, was er auch in den überdrehten Neunzigerjahren so perfekt getan hat: irre gute Laune. David Steinitz
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Der Partyschreck (1968)
Eins muss man vorab aus dem Weg räumen: Der legendäre Peter Sellers hat hier braune Schminke im Gesicht, weil er einen Inder spielt - solche "Brownface"-Einlagen würde man heute nicht mehr machen. Seine Figur Hrundi V. Bakshi ist aber trotzdem der Held und eine totale Identifikationsfigur, weil er versucht, auf einer Party in einer Hollywood-Hightech-Villa, wo er niemanden kennt, nicht weiter aufzufallen. Das geht erst leise und fast poetisch schief, dann immer gründlicher und wilder. Blake Edwards lässt dabei alle üblichen Plotstrukturen fallen, um seinen Lieblingsschauspieler Sellers einfach nur mit der Tücke des Objekts und modernen Technik - nun, kämpfen zu lassen ist nicht der richtige Ausdruck. Es ist eher ein sanftes Ballett der Missgeschicke, die sich fast in Zeitlupe entfalten wie fallende Dominosteine, inszeniert mit unglaublicher Eleganz und Präzision. Hrundi V. Bakshi lässt uns auflachen, weil jede seiner Bewegungen nachvollziehbar ist, nur halt radikal inkompatibel mit seiner Umgebung. Damit ist dieser Partyschreck, nur unter anderem, der Urvater von Mr. Bean. Tobias Kniebe
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Woher weißt du, dass es Liebe ist? (2010)
Das große Geheimnis aller guten romantischen Komödien sind letztlich nicht die Gags, sondern das Gefühl, dass die Filmemacher ein klitzekleines bisschen mehr über das Leben und die Liebe erzählen können, als man vor dem Film gewusst hat. Gut, wenn der Film witzig ist, schadet es natürlich auch nicht. Und so lustig und gleichzeitig lebensweise wie der Regisseur James L. Brooks ist kaum einer in Hollywood. Er hat die Simpsons miterfunden und den Klassiker "Besser geht's nicht" mit Jack Nicholson gedreht. Etwas weniger bekannt ist dieser Film aus dem Jahr 2010. Eine Dreiecksgeschichte mit Reese Witherspoon, die so zärtlich und komisch von den Irrungen und Wirrungen des Single-Daseins, der Partnersuche- und Trennung, also des ganzen Liebeskarussells erzählt, wie nur wenige andere Filme. David Steinitz
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Is' was Doc? (1972)
Mit den Reisetaschen in Schottenkaro fängt alles an. Vier Gäste haben eine solche dabei, als sie in San Francisco im selben Hotel einchecken: Eine alte Dame mit einem Überangebot an Schmuck, ein Geheimagent, und ein Traumpaar wider willen - der biedere Musikologe Howard (Ryan O´Neal), der mit seiner langweiligen Verlobten angereist ist, transportiert darin Steine, und Judy (Barbra Streisand), die von jeder Uni fliegt, ihre schmutzige Wäsche. Judy verliebt sich in Howard, sobald sie ihn in der Hotelhalle erblickt - aber damit er kapiert, dass sie die Frau seines Lebens ist, schickt sie ihn erst einmal an einen Punkt in seinem Leben, von dem an es sowieso nur noch bergauf gehen kann. Peter Bogdanovich hat den Filmnach dem Rezept der klassischen Screwball-Komödien von Howard Hawks gedreht, und Barbra Streisand verwaltet hier hervorragend das Erbe von Katharine Hepburn: Sie ist eine unwiderstehliche Nervensäge. Gut, sie setzt ein Hotelzimmer in Brand, befördert ihren künftigen Geliebten fast ins Jenseits und bringt ihren Vater um den Verstand - aber wenn sie sich auf dem Klavier räkelt und "As time goes by" singt, ist das hinreißend. Susan Vahabzadeh
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Liegen Lernen (2003)
Die perfekte deutsche Komödie für Menschen, denen deutsche Komödien normalerweise auf die Nerven gehen. Regisseur Henk Handloegten - einer der drei Showrunner von Babylon Berlin - hat den gleichnamigen Roman des Schriftstellers Frank Goosen verfilmt. Und zwar mit einem schelmischen Humor, wie man ihn von Matthias Schweighöfer und Til Schweiger niemals bekommen wird. Die Geschichte eines 32-jährigen Beziehungsängstlings, der über die Frauen seines Lebens sinniert, wirkt auf den ersten Blick ein bisschen "High Fidelity"-esk, steht aber gut auf eigenen Filmbeinen. Eine tragikomische Story übers Erwachsenwerden und ein hübsches Porträt der BRD in den Achtzigerjahren mit ihrem Anti-AKW-Charme, als Mädchen noch Britta und Jungs Helmut hießen. Außerdem der letztgültige Beweis, dass einen die erste Liebe niemals loslassen wird. Einer der schönsten deutschen Filme der letzten Jahrzehnte. David Steinitz
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Der rosarote Panther kehrt zurück (1967)
Dies ist der vierte Film mit Peter Sellers als Inspektor Clouseau, und ja, natürlich sollte man die jetzt alle nochmal anschauen und mit dem ersten beginnen. Das Geniale aber ist, wie sich die komödiantische Tollerei dieser Reihe von Blake Edwards langsam steigert, um schließlich in diesen Irrsinnsfilm (auf deutsch: "Inspektor Clouseau, der "beste" Mann bei Interpol" zu gipfeln. Momente im Kino, wo einem vor Lachen wirklich die Luft wegbleibt, sind ja doch selten, hier gibt es sie reihenweise: Da ist der mörderische, Bondschurken-artige Wahnsinn, den Clouseau in seiner Nemesis Dreyfus entfesselt; seine Tarnung als Quasimodo mit aufblasbaren Heliumbuckel; sein Besuch auf dem Münchner Oktoberfest, wo er von einem Dutzend finsterer Killer verfolgt wird; und schließlich seine verzweifelten Versuche, den Wassergraben einer bayerischen Burg zu überwinden. Sie scheitern, wie der ganze Mann das personifizierte Scheitern ist. Durch die Gnade eines idiotischen Schicksals aber kommt er doch immer zum Ziel. Tobias Kniebe
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Die nackte Kanone (1988)
Natürlich reicht es nicht, dass der Mann eben von mindestens zehn Kugeln durchsiebt wurde: In seinem Todeskampf kreiselt er los, stößt sich den Kopf an einem Metallrohr, fasst, vom Rebound zurückgeworfen, auf eine heiße Herdplatte, taumelt mit seiner dunklen Jacke gegen eine mit weißer Farbe frisch gestrichene Tür, klemmt sich die Hand im zufallenden Fenster ein, landet mit dem vor Schmerz angemessen verzerrten Gesicht voraus in einer Hochzeitstorte und tritt, die Sahne nimmt ihm schließlich die Sicht, in eine Bärenfalle. Erst dann geht er - das Ganze spielt sich auf einem Schiff ab - über die Reling ins Wasser. Der Humor des Gespanns David und Jerry Zucker und ihres gemeinsamen Freundes Jim Abrahams funktioniert also, zurückhaltend formuliert, über eine dadaistische Form der Hyper-Brachialität. Und der steten Steigerung. Man sieht das am besten an ihrer Cop-Movie-Persiflage "Die nackte Kanone" (und deren Fortsetzungen "Die nackte Kanone 2 ½" und "Die nackte Kanone 33 1/3"), in der Leslie Nielsen den grenzdebilen Polizisten Frank Drebin spielen darf. Und solche Dialoge sprechen:
Bösewicht, mit einer Kiste Zigarren in der Hand: "Kubaner?"
Drebin: "Nein, Halb-Ire. Meine Mutter stammt aus Wales." Jakob Biazza
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Ricky Bobby - König der Rennfahrer (2006)
Das Patriarchat überlebt alles, das amerikanische zumal. Auch wenn es erst mal abwärts geht mit der Karriere von Ricky Bobby, dem kühnen Nascar-Rennfahrer, am Familientisch sind sie alle immer noch zusammen, inklusive dem tatterigen Opa und dem fidelen Rennstallkumpel, John C. Reilly, der von Ricky dann die Frau übernehmen wird. Ricky Bobby - Will Ferrell - spricht das Tischgebet, dankt Gott und dem Baby Jesus, aber auch die anderen dürfen sich spontan einschalten. Im Hollywoodkino wird immer noch intensive Soziologie betrieben, und "Talladega Nights - The Ballad of Ricky Bobby", so der Originaltitel, feiert archaisches Familiengefühl, zwischen Ambition und Zugehörigkeitsnöten, Einsamkeit und Solidarität. Adam McKay hat mit Will Ferrell die "Anchorman"-Filme gemacht, sein bislang letzter Film war "Vice", mit Christian Bale als Dick Cheney. Auch Sacha Baron Cohen wird am Ende zur großen Nascar-Familie gehören, der Konkurrent aus Frankreich, der Camus liest und jedes Wort gründlich durchkaut, wie man es fürs gesunde Verdauen empfiehlt. Ricky Bobby und er stehen sich ganz nah gegenüber, so dass man nicht weiß, ob sie dem anderen in die Nase beißen wollen oder einen dicken Schmatz auf die Lippen drücken. Fritz Göttler
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Sein Mädchen für besondere Fälle (1940)
Ein Märchen aus den dark ages ... Es war einmal, in den glorreichen Vierzigern, als die Presse ein einziges großes Abenteuer war, der investigative Journalismus alles, wirklich alles dem großen Ziel unterordnete ... alle möglichen Geschichten aufzuspüren und aufzubauschen, die Dummheit der korrupten Politiker und Bürokraten auszunutzen und sie sich verplappern zu lassen, die sensationellen Ereignisse rechtzeitig zu arrangieren, so dass sie noch in der Morgenausgabe für Schlagzeilen sorgen können. "His Girl Friday/Sein Mädchen für besondere Fälle" von Howard Hawks ist ein toller Lobgesang auf die freie Presse, jenseits aller moralischen Einwände um Fake News etc., ein Meisterwerk der Atemlosigkeit. Ein zum Tod Verurteilter ist entflohen, und die New Yorker Morning Post ist ganz dicht an der Story dran. Cary Grant ist ihr Chef, mit unglaublich fiesem Charme, er setzt alles ein, Falschgeld, den Gangster Louie, Blondinen, die Pseudoträne im Augenwinkel. Er will vor allem seine Starreporterin Hildy zurückholen, Rosalind Russell, die einst seine Frau war, ein perfektes Team, sich scheiden ließ und nun neu heiraten will, einen Versicherungsvertreter aus Albany. Sie durchschaut alle Tricks von Grant, aber am Ende hat sie sich selber ausgetrickst - die Lust am Job ist einfach zu groß, das Abenteuer, die Freiheit. Fritz Göttler
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Brust oder Keule (1976)
Louis de Funès als Restaurantkritiker auf dem Kriegspfad: Charles Duchemin versteht sich als Bewahrer der feinen französischen Küche, aber der Feind hat Mittel und Wege gefunden, diese durch ungenießbaren Fraß zu ersetzen. Das Grauen macht sich breit am Rand von Frankreichs Autobahnen: Fast Food! Iiih, ooh, aah! Also sucht Duchemin die Restaurants aus der Kette des fiesen Monsieur Tricatel unerbittlich heim, und natürlich würde er das meiste, was ihm serviert wird, nie in den Mund nehmen: Duchemin hat eine halbe Laborausrüstung dabei, um jeden Kontakt mit den dargebrachten Speisen zu vermeiden. Brust oder Keule, inszeniert von Claude Zidi 1976, auf der Höhe des pan-europäischen Louis de Funès-Booms, gehört zu den lustigsten Auftritten des hyperaktiven Komikers, der Jim Carrey aussehen lässt wie eine lahme Ente. Es geht nämlich um ein bisschen mehr als nur um Essen. Duchemin kämpft gegen Profitgier und für Individualität - sogar, wenn es nur um individuellen Klamauk geht. Susan Vahabzadeh
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