Süddeutsche Zeitung

Corona in den USA:Crescendo

Die Absagen von Konzerten treffen die Orchester hart. Musiker werden entlassen, Gehälter nicht gezahlt. Aber es gibt auch Gesten der Solidarität.

Von Michael Stallknecht

Die Absagen treffen Opernhäuser und Orchester in der ganzen Welt hart. Wie hart, verdeutlicht nun die New Yorker Metropolitan Opera. Unter Berufung auf eine sechzig Jahre alte, bislang nie angewendete Vertragsklausel über das Eintreten höherer Gewalt hat deren Chef Peter Gelb angekündigt, Chor und Orchester des Hauses nach dem 31. März nicht weiterzuzahlen.

Das renommierteste amerikanische Opernhaus ist nicht die einzige Institution, die zu solchen Maßnahmen greift. In den USA haben sich die Symphonieorchester von Oregon und San Antonio, in Kanada die von Calgary und Winnipeg inzwischen de facto aufgelöst, indem sie neben den Musikern auch dem kompletten Team gekündigt haben.

Dass solche Maßnahmen auch in Deutschland ergriffen werden, ist momentan sehr unwahrscheinlich. Stattdessen müssen in Deutschland, Österreich und der Schweiz vor allem freie Musiker und Ensembles um ihre Existenz bangen. An öffentlich finanzierten Häusern und Orchestern dagegen kann nur Gastsolisten, nicht ganzen Kollektiven unter Berufung auf höhere Gewalt der Lohn verweigert werden. In der angloamerikanischen Welt dagegen ist das Arbeitsrecht traditionell lockerer, so werden amerikanische Orchestermusiker grundsätzlich wöchentlich bezahlt und erhalten im Krankheitsfall keine Lohnfortzahlung. Vor allem aber sind die Institutionen in viel höherem Maße, wenn nicht ausschließlich von Sponsoren abhängig. In Zeiten wirtschaftlicher Einbußen müssen sie um deren Engagement besonders fürchten. Gerade die Met gilt schon länger als unterfinanziert, weshalb Peter Gelb die Sponsoren gebeten hat, sich die Eintrittsgelder für abgesagte Vorstellungen nicht zurückzahlen zu lassen. Auch sein eigenes Gehalt hat er für die Zeit der Schließung ausgesetzt, dafür will er immerhin weiterhin die Krankenversicherung der Musiker übernehmen.

Dennoch gilt seine Maßnahme selbst für amerikanische Verhältnisse als radikal. So hat die Houston Grand Opera in Texas angekündigt, sogar ihren freiberuflichen Mitarbeitern weiterhin immerhin die Hälfte der Honorare zu zahlen. Eine besonders rührende Nachricht kommt in Zeiten der Not aus Chicago: Dort haben sich die festbeschäftigten Orchestermusiker entschlossen, ihre Gehälter mit den freiberuflichen Aushilfen für einen geplanten "Ring des Nibelungen" zu teilen.

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Quelle:
SZ vom 24.03.2020
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