Es ist eine Modeausstellung", sagt der Direktor Matthias Wagner K zu Beginn und wiederholt es noch ein paar Mal: eine Modeausstellung, eine Modeausstellung, nichts als eine Modeausstellung. Aber wenn die Schau "Contemporary Muslim Fashions" am Donnerstag im Frankfurter Museum Angewandte Kunst eröffnet, wird es Sicherheitskontrollen am Eingang geben, Körperscans, Taschendurchsuchungen. Wagner K hat Drohungen von Rechten bekommen, Feministinnen protestierten. Eine Frauengruppe beschied, solange nicht auch das Bild einer gesteinigten Frau gezeigt werde, sei die Ausstellung leider inakzeptabel. Einzig die konservativen islamischen Verbände haben sich noch nicht geäußert, aber das sollte man nicht als Zustimmung werten. Wenn Wagner K also darauf beharrt, es handele sich um eine "Modeausstellung", dann ist das ungefähr so, als wolle man die Debatte über das Kreuz in Schulen als Frage der Inneneinrichtung behandeln.
In San Francisco hatte es diese Aufregung nicht gegeben. Dort war die Ausstellung im vergangenen Jahr gezeigt worden und traf auf eine Welle der Solidarität mit einer Bevölkerungsgruppe, die durch Donald Trumps Muslim Ban diskriminiert wurde. In Deutschland hingegen wird der Islam inzwischen als Schicksalsfrage diskutiert. Dass eine deutsche Regierungschefin nach einem Attentat auf eine Moschee als Zeichen der Anteilnahme Kopftuch trägt wie die neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern nach dem Attentat in Christchurch, bleibt unvorstellbar. Stattdessen erlebt man den eigentümlichen Effekt, dass sich hin und wieder Feministinnen und Rechte solidarisieren. Islamfeindschaft dürfte der einzige Rassismus sein, der im Namen von Demokratie und Frauenrechten mit einigem Erfolg argumentiert. Eine Modeausstellung? Schön wär's.
44 Milliarden Dollar gaben Musliminnen in den Jahren 2016/2017 jährlich für Mode aus
Dabei ging der Schau das durchaus freudig-naive Staunen eines westlichen Museumsmachers über die islamische Welt voraus. Der Österreicher Max Hollein, einst in Frankfurt, bald in New York, dazwischen in San Francisco tätig, habe bei einer Reise in den Nahen Osten entdeckt, dass seine Vorstellung von düster gekleideten und tief verschleierten Musliminnen nicht haltbar war, erzählt Wagner K. Das ist einerseits nur eine Fadenbreite entfernt von der zwiespältigen Bewunderung für die Farbenpracht und Sinnenfreude des Orients, andererseits hat der Nahe Osten destruktivere Begegnungen mit dem Westen erlebt. Und Holleins grundsätzliche Beobachtung ist ja nicht falsch, zumal unter ökonomischen Gesichtspunkten.
Der Markt für muslimische Mode wächst. 44 Milliarden Dollar gaben Musliminnen in den Jahren 2016 und 2017 jeweils für Mode aus, ein Sechstel aller Ausgaben aller Muslime für Kleidung. Labels wie DKNY stimmen Kampagnen auf den Ramadan ab. Harrods in London startete zum Auftakt der Pilgersaison "Harrods Hajj". Bloggerinnen, Vloggerinnen und Influencerinnen wie die Indonesierin Dian Pelangi verzeichnen Millionen Follower. Plattformen wie die türkische Seite "Modanisa" oder "The Modist" aus Dubai feiern die Verhüllung als Trend.
Ein wenig von dieser kritiklosen Begeisterung darüber, dass neuerdings nicht nur Musliminnen, sondern auch andere Frauen ihren Körper verbergen wollen, findet sich auch im Katalog. Der "Schutz" des weiblichen Körpers - und sei es als Reaktion auf männliche Übergriffe - ist dabei reine Frauensache.
Nichtsdestotrotz gibt sich die Ausstellung als Schau weiblicher Selbstbehauptung und weiblicher Fantasie, und in mancherlei Hinsicht gelingt ihr das sehr gut. Die amerikanische Designerin Naima Muhammad kombiniert afrikanische Muster mit Hosen im Combat-Stil, die Britin Sarah Elenany druckt Graffiti auf knielange Hoodies. Der US-Regisseur Habib Yazdi machte Furore mit einem Film über "Mipsterz", muslimische Hipster, die mit Kopftuch und High Heels auf Skateboards durch den Central Park brausen. Und wenn Céline Semaan Vernon für das Brooklyner Label Slow Factory eine schwarze Bomberjacke entwirft, auf der die amerikanische Verfassung in arabischer Schrift steht, dann enthält das Stück den ganzen für viele so anstößigen Partizipationsanspruch: Wir sind hier und wir werden bleiben. Und wir haben übrigens eigene Vorstellungen von einem islamischen Leben, auch wenn konservative Geistliche da ähnlich schlucken müssen wie die oft säkularen Eltern.
Das alles ist grundsympathisch, wie die vier Casual-Entwürfe deutscher Designerinnen, die für Frankfurt der Ursprungsschau hinzugefügt wurden, darunter einer von Meriem Lebdiri aus Mannheim. Und wenn man dann auf die Entwürfe für das indonesische Label Nurzahra trifft, dessen viellagige Kombinationen die blau-weißen Wachsdrucke der einstigen niederländischen Kolonialherren ganz neu, ganz souverän interpretieren, dann fragt man sich, warum solche Entwürfe es nicht schon längst bis ins Museum geschafft haben.
Die Ambivalenz des Kopftuchs: emanzipativ für die eine, repressiv für die andere Trägerin
Nur ist es leider auch so, dass neben den vielen Musliminnen, die freiwillig weite Kleidung und oft auch ein Kopftuch tragen, Millionen Frauen in dieser Frage keine Wahl haben. Sie würden sich den störenden Lappen eher heute als morgen vom Kopf reißen und noch die prächtigste Abaya gegen eine ausgeschnittene Bluse eintauschen, wenn sie denn dürften. Auch diese Frauen wollen sich schön machen, aber ihre Kleidung kann den Zwangscharakter ebenso wenig verbergen wie besonders geschmackvolle Häftlingskleidung.
So ist es für muslimische Sportlerinnen in Ägypten oder am Golf ein gewaltiger Fortschritt, wenn kleine Labels oder inzwischen sogar Nike Sport-Hidschabs anbieten. Gäbe es sie nicht, könnten die Athletinnen kaum rudern oder Speerwurf betreiben. Die Mode verschafft ihnen Spielräume, nur ist die Frage, ob viele nicht doch lieber ohne Kopftuch trainieren würden.
Es gehört zur Ambivalenz des Kopftuchs wie aller "muslimischen" Mode, dass sie emanzipativ für die eine, aber repressiv für die andere Trägerin ist, dass eine Frau in Deutschland mit dem Kopftuch eine politische Botschaft verbreiten kann, ihre Glaubensgenossin im Irak oder in Jemen aber lediglich sozialem Druck nachgibt. Dass dies vor allem für ärmere Frauen gilt, dass sich die wohlhabenden, gebildeten, kosmopolitischen Eliten viel mehr erlauben können, macht es eher bedrückender.
Die erlesenen Roben von Scheicha Mosa aus Katar würden auch Michelle Obama schmücken
Diese Widersprüche streift die Schau in Frankfurt nur am Rande. Zwar bespielt Wagner K einen ganzen Raum mit einer Videoinstallation der iranisch-amerikanischen Künstlerin Shirin Neshat, in der ein Mann hingebungsvoll vor Publikum singt, aber die Stimme einer Frau vor leeren Stühlen zum Krächzen wird - "Turbulent" von 1998 ist eine von Neshats besten Arbeiten. Zwar zeigen Bilder iranische Proteste gegen das Kopftuch, darunter die herzzerreißende Aufnahme einer jungen Frau aus dem Jahr 2017, die ihr Kopftuch an einem Stab schwenkt wie ein verzweifeltes Signal. Aber gemessen am üppigen affirmativen Faltenwurf in den übrigen Sälen ist das etwas dürftig. Demnächst wird es ein Forum über Gender und Identität im Museum geben, sagt Wagner K, da dürfte vieles zur Sprache kommen. Zudem sei eine Veranstaltung mit den Kritikerinnen geplant.
Vielleicht hat er ja recht, vielleicht ist es wirklich nur Mode, nur Stoff. Frauen in der islamischen Welt nennen als größte Geißel jedenfalls selten die Kleidungszwänge. Zugang zu Medizin, Sicherheit, Erbrecht, Schulen für Mädchen - vieles ist wichtiger. Und dass die westliche Obsession von der Befreiung der muslimischen Frau häufig taktische Züge hat, weiß man seit dem Afghanistan-Krieg, der ja auch deshalb so unerfreulich ist, weil die Afghaninnen nach wie vor Burka tragen. Umso schöner wäre es da, wenn wenigstens die Syrerinnen oder Irakerinnen ein bisschen verwestlichen würden, damit all das Blutvergießen durch die Anerkennung des westlichen Lebensstils gerechtfertigt würde.
Der internationale Begriff für muslimische Mode lautet übrigens "modest". Wörtlich heißt das "bescheiden", Wagner K. übersetzt es freier mit "dezent" und "weniger körperbetont". Nichts davon klingt besonders lebensfroh, und glücklicherweise entspricht es auch nicht der Wahrheit. Die erlesenen Haute-Couture-Roben der Stilikone Scheicha Mosa aus Katar würden auch Michelle Obama schmücken und sind alles andere als bescheiden. Und die Auftritte der drallen schwarzen Instagram-"Hidschabista" Leah Vernon sind Inszenierungen von Farbe, Stolz und Körperfülle, weder dezent noch "weniger körperbetont", sondern einfach nur: Mode.
Contemporary Muslim Fashions. Museum Angewandte Kunst, Frankfurt am Main. Bis 1. September. Der Katalog kostet 55 Euro.