Süddeutsche Zeitung

Computerspiele:Der Klang von Staub

Der Münchner Filippo Beck Peccoz komponiert Sounds und Geräusche für Games

Von Anna Steinbauer

Wie stark ist der Wind? Wie weit hört man das Meeresrauschen? Bevor Filippo Beck Peccoz mit seiner Arbeit beginnt, herrscht zunächst einmal große Stille. Eine Welt nur aus Bildern. Zumindest auf seinem Computerdesktop, auf dem die Rohfassung eines neu entwickelten Spiels zu sehen ist. Dieser haucht Beck Peccoz durch seine Kompositionen Leben ein. Hierfür muss der Game-Musiker eine Entscheidung treffen: Wie soll diese Welt klingen? Und das betrifft nicht nur die Musik. "Wenn der Charakter im Spiel springt, muss ein Laut zu hören sein. Außerdem musst du sichergehen, dass der Spieler nicht in eine Nische hineingehen kann, in der dann plötzlich kein Sound mehr ist.", sagt der gebürtige Münchner.

"Jeder würde es merken, wenn die Musik nicht da wäre, aber die wenigsten hören wirklich hin", sagt Beck Peccoz. Seine Leidenschaft für Computerspiele entdeckte er noch vor seiner Liebe zur Musik. Als er 14 wurde, schenkte ihm sein Bruder eine Gitarre, die zu spielen brachte sich der Sohn italienischer Eltern selbst bei. Schon damals wollte er Musik für Videospiele machen. Weil es kein entsprechendes Studium gab, studierte er Filmkomposition am renommierten Berklee College in Boston.

Dort gründete Beck Peccoz einen Videospielmusik-Club. Die Schule unterstützte die Pionierarbeit des jungen Komponisten: Vor Ende seines Studiums gab es die erste Professur für das neue Fach, mittlerweile kann man sogar einen Abschluss in Game-Musik machen. Ganz langsam rückt auch in Deutschland die Computerspiel-Musik in den Vordergrund. "Viele Leute wissen gar nicht, was der Unterschied zur Filmmusik ist. Die meisten denken, dass wir nur mit den alten Atari-Klängen arbeiten", so Beck Peccoz, der von April an an der Hochschule in Kempten Game Audio unterrichten wird. Dass man einen Game-Soundtrack mit klassischer Gitarre oder einem Solo-Cellisten machen könne, sei für viele Leute unvorstellbar.

Die Game-Musik nahm Mitte der Siebzigerjahre mit den ersten Heimkonsolen ihren Anfang, die Musik wurde damals auf monofonen Soundchips programmiert. Die Chips aber konnten immer mehr Klangfarben abdecken und mehr Töne gleichzeitig produzieren. Bis Ende der Achtziger erreichten die Spielsysteme von Nintendo und Sega schon wesentlich größere Soundvielfalt. Ein Umbruch war dann die CD mit der Möglichkeit, ganze Bands aufzunehmen. "Game-Musik lebt heute von Variabilität", so Beck Peccoz.

Das Studio des 1982 geborenen Audio-Designers befindet sich in einem ruhigen Hinterhof in der Maxvorstadt. Dieses teilt sich Beck Peccoz mit seiner Frau Ilenia, einer Künstlerin, die ihm bei vielen Projekten hilft. Sein künstlerisches Vorbild ist Thomas Newman, der die Filmmusik zu "American Beauty" komponierte. Neben diversen Gitarren zieren Zupfinstrumente vom Banjo bis zum Harfenstab aus Madagaskar Beck Peccoz Arbeitsort. Um Geräusche zu sammeln, trägt er stets ein Aufnahmegerät bei sich. Darauf findet sich vieles, vom Klappern japanischer Türen bis zum Rauschen des heimischen Waldes. "Ich mag, wenn nicht alles aus dem Computer kommt. Wenn man auch ein bisschen Staub mit aufnimmt." Instrumente behandelt er wie Klanggeneratoren: "Ich sehe sie als Farben." Deshalb verstimmt er auch mal eine Gitarre oder nützt einen Kochtopf. So wie bei "Oh, wie schön ist Panama", einer Spiele-App zu Janoschs Kinderbuchklassiker. Mit den jungen Games-Entwicklern von Mimimi-Productions, für die er diese Klangwelt entwarf, arbeitet er seit 2011 zusammen. Zuletzt entwickelte er 2800 Geräusche und Effekte und einen 70-minütigen Soundtrack für das bunte Spiel "The Last Tinker - City of Colors", das beim Deutschen Entwicklerpreis in mehreren Kategorien abräumte. Das Team von Mimimi und andere Auftraggeber lernte Beck Peccoz auf der Global Game Jam in München kennen. Bei diesem weltweit parallel stattfindenden Event, treffen sich games-affine Menschen auch derzeit gerade wieder: Noch bis 31. Januar tagen sie im Werk 1 und erstellen in Gruppen innerhalb von 48 Stunden ein Computer- oder Brettspiel.

Wie so eine Komposition dafür funktioniert? Man sucht sich ein begrenztes Set an Events, also Auslöser im Spiel und legt diese als separate Spuren an, die dann gleichzeitig abgespielt und jeweils hochgefahren werden können. Zuletzt arbeitete er am Onlinespiel "Das Tal". Dumpfe Drumschläge und scheppernde E-Gitarrensounds hat er sich für das in einer trostlosen Wüste angesiedelte Spiel überlegt. Das Projekt zweier junger Entwickler der Münchner Firma "Fairytale Distillery" wurde mit 80 000 Euro vom bayerischen Film-Fernseh-Fonds gefördert - obwohl es nicht das friedlichste Setting hat. Die Ausgangssituation für die Game-Förderung in Bayern sei immer noch schwierig. Die ewige Ego-Shooter-Nörgelei kann Beck Peccoz zwar nachvollziehen, trotzdem kämpft er für eine objektivere Auseinandersetzung mit Spielen, auch Gewalt enthaltenden: "Ich fände es super, einen guten Ego-Shooter zu fördern, dann würde ich auch liebend gerne die Musik dazu machen." Ob dafür eine seiner Gitarren zu Bruch gehen muss?

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SZ vom 30.01.2016
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