Comic:Wenn aus Mai Juni wird

Bastard
Max de Radigues

Illustration: Max de Radiguès/Reprodukt Verlag

Fertig ist das Charaktergesicht: "Bastard" des belgischen Zeichners Max de Radiguès erzählt eine ungewöhnliche Gangstergeschichte.

Von Martina Knoben

Hardboiled gibt sich dieser Comic, als knallharte Pulp Fiction. Es wimmelt nur so von Genrezitaten, von Bonnie und Clyde bis zu den Figuren und Motiven in Quentin Tarantinos Filmen. "Bastard" ist ein gezeichnetes Roadmovie - den Kofferraum voller Scheine flüchten May und Eugene durch den amerikanischen Südwesten. Nach einem ganz großen Coup ist die Polizei hinter ihnen her, und ein ehemaliger Komplize versucht sie zu töten. Sie schlafen in Motels, bei Freunden oder auch mal im Krankenhaus - ein fingierter Asthmaanfall Eugenes rettet sie bei einer Straßensperre der Polizei.

Eugene, das ist der Clou dieses Comics, ist ein Junge von vielleicht acht Jahren - ein Klotz am Bein der jungen May, aber auch ihr verlässlichster Komplize. Faszinierend, wie abgebrüht und gleichzeitig kindlich unschuldig Eugene ist: Dass eine Pistole im Handschuhfach liegt, irritiert ihn kein bisschen. Und das Messer, das May ihm schenkt, wird er auch nicht zum Schnitzen benutzen. Die blutige Verteidigung seiner Mutter gehört zu den schockierendsten und gleichzeitig spannendsten Momenten in diesem Krimi.

Der junge Belgier Max de Radiguès verzichtet auf Farbe und entwirft "Bastard" (Aus dem Französischen von Andreas Förster, Reprodukt Verlag, Berlin 2018, 192 Seiten, 14 Euro) mit kindlich naiv wirkenden Zeichnungen. Punkt, Punkt, Komma, Strich - fertig ist hier ein Charaktergesicht, ganz so wie im klassischen Zeitungscomic. Der schlichte Stil passt zu Eugene, aber auch zu May, die eigentlich April heißt und selbst noch sehr jung ist. Sie ist eine tolle Heldin - tough, immer auf der Hut und nicht zimperlich, wenn es ums Überleben geht, dabei voller Wärme für Eugene. Bei einem alten Freund namens Hank, der allein in der Wildnis mit einem Kühlschrank voller Bier lebt, kommen die beiden kurzzeitig unter. Aber auch er entpuppt sich als Verräter, und das war fast zu erwarten, schließlich hatte er Eugene immer nur Mays "kleinen Bastard" genannt.

So hartgesotten "Bastard" zuerst daherkommt, erzählt der beim Festival in Angoulême ausgezeichnete Comic vor allem auch eine Familiengeschichte. Den Genrezitaten verpasst Max de Radiguès dabei immer wieder originelle Twists und seinen Strichmännchen und -mädchen überraschende Tiefe. Ein fürchterlicher Crash löst schließlich alle Sicherheiten auf. May stirbt fast, um, wie die "Braut" in Tarantinos Film "Kill Bill", neugeboren aus der Kloake und dem Dreck aufzuerstehen. Aus April wurde May und wird schließlich June. "Bastard" ist auch eine Geschichte übers Erwachsenwerden.

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