Süddeutsche Zeitung

Comic-Kolumne:Sternbilder

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Der Weltraum, unendliche Weiten - von wegen! In Wahrheit geht es auf fremden Planeten und in fernen Galaxien immer um unsere gute alte Erde.

Von Christoph Haas

Der Weltraum, unendliche Weiten - von wegen! In Wahrheit geht es auf fremden Planeten und in fernen Galaxien immer um unsere gute alte Erde. Science Fiction und historischer Roman sind wie zweieiige Zwillinge: Sie mögen anders aussehen, sind aber aufs engste verwandt. Von der Zukunft glaubwürdig zu erzählen ist ebenso schwierig wie von der Vergangenheit - versucht man es, entstehen stets Projektionen dessen, was die Gegenwart bewegt.

Zwischen 1957 und 1959, zur großen Zeit der Ufo-Hysterie, entstand der von Francisco Solano López gezeichnete Comic Eternauta (SZ vom 1. 2. 2016). In ihm fällt tödlich giftiger Schnee auf Buenos Aires; es folgen extraterrestrische Invasoren, deren heilloser technologischer Überlegenheit sich ein Häuflein todesmutiger einheimischer Verteidiger entgegenwirft. Zehn Jahre nach Abschluss kam "Eternauta" erneut heraus. Der Autor Hector G. Oesterheld hatte die ursprünglich 350 Seiten lange Geschichte rabiat auf 50 Seiten gekürzt und ihr zudem einen zeittypischen antiimperialistischen Dreh gegeben: Um nicht selbst angegriffen zu werden, paktieren die Großmächte mit den Außerirdischen und liefern ganz Südamerika der Vernichtung aus. Unbedingt lesenswert ist Eternauta 1969 (Avant) wegen des fantastischen, experimentellen Artworks von Alberto Breccia, einem der größten Comic-Zeichner überhaupt. Breccia erschafft einen psychedelischen Realismus, der Collage-Elemente integriert und schon mal die Grenze zur Abstraktion überschreitet: Ein explodierender Panzer ist hier eine Garbe von Weiß vor schwarzem Hintergrund.

Weit weniger bedrückend ist Aquablue (Splitter). Ein Planet von überwältigender Schönheit, dem Raubbau eines irdischen Konzerns preisgegeben; ein blauhäutiges, friedfertiges Naturvolk, das sich aber zu wehren weiß, wenn es ums Überleben geht - das alles kommt einem bekannt vor. Aber, nein, das französische Trio Thierry Cailleteau (Text), Olivier Vatine und Ciro Tota (Zeichnungen) hat sich nicht dreist bei "Avatar" bedient; es war wohl umgekehrt der Fall. Der Blockbuster von James Cameron lief 2009 in den Kinos; der Comic wurde bereits zwischen 1988 und 1998 veröffentlicht. Die Frisuren und Kleider in "Aquablue" verweisen deutlich auf diese Entstehungszeit, aber die Serie ist sehr gut gealtert. Der leichte Semifunny-Einschlag der Zeichnungen passt perfekt zu einer Space Opera, in der es nicht an comic relief fehlt, und das sorgfältig konstruierte Szenario trägt über die fünf Bände, die nun zu einer Gesamtausgabe vereint sind.

Schon früher beklaut, und zwar von den "Star Wars"-Machern, wurde die berühmte, 1967 gestartete SF-Serie Valerian und Veronique. Pierre Christin (Text) und Jean-Claude Mézières (Zeichnungen), die Schöpfer der beiden Raum-Zeit-Agenten, haben inzwischen die Erlaubnis gegeben, dass andere Künstler ihr Werk in einer Sonderreihe fortschreiben. In Shinguzlooz Inc. (Carlsen) von Wilfried Lupano (Text) und Mathieu Lauffray (Zeichnungen) landen Valerian und Veronique auf einem idyllischen Planeten, um Mr. Zi-Pone zu verhaften, einen hochgradig kriminellen Roboter, der sage und schreibe "gegen 378 intergalaktische Steuer- und Bankengesetze" verstoßen hat. Am selben Ort tauchen auch die Shinguz auf, gewiefte galaktische Händler, die leider gerade beim Pokern die Erde an einen skrupellosen Kollegen verspielt haben. "Shinguzlooz Inc." ist eine SF-Comedy, temporeich, und mit schönen satirischen Spitzen zu aktuellen ökonomischen und ökologischen Problemen.

Zurück in die Zukunft geht es mit den Planet Comics, die von 1940 bis 1953 in New York bei Fiction House erschienen. Der kleine Hannoveraner Bildschriftenverlag, der sich seit ein paar Jahren hingebungsvoll um verlorene Schätze aus dem Golden Age der amerikanischen Comics kümmert, hat begonnen, die Serie komplett zu publizieren. Jetzt liegen das dritte und vierte Heft mit jeweils 60 Seiten vor; die Namen der Zeichner und Texter dürften nur ausgewiesenen Spezialisten für diese Ära ein Begriff sein. Die Storys sind hochgradig repetitiv - dauernd retten Helden à la Flash Gordon das Sonnensystem vor größenwahnsinnigen Bösewichtern -, bezaubern aber durch kuriose Einfälle und surreale Details. Und ein paar wonder women gibt es auch.

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Quelle:
SZ vom 18.04.2018
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