Süddeutsche Zeitung

Comic-Held gibt US-Staatsbürgerschaft ab:Superman wird Wutbürger

Amerikas einst treuester Held will kein US-Bürger mehr sein: Im neuen Comic "The Incident" teilt Superman der Welt mit, dass er nicht länger als Instrument der US-Politik gesehen werden möchte.

Fritz Göttler

Der berühmteste Immigrant der Welt macht einen Rückzieher. Amerikas treuester Held, der dem Staat, der ihn seinerzeit so großherzig aufgenommen hatte, mit unermüdlichem Einsatz für seine Ideale und Ziele dankte, - der legendäre Superman - will nicht mehr weiter US-Staatsbürger sein. So jedenfalls steht es in der Episode "The Incident", eben erschienen in der Jubiläumsnummer 900 des Comic-Magazins Action Comics, geschrieben von David S. Goyer, der zuletzt für das Konzept zum Batman-Film "The Dark Knight" verantwortlich war.

"Ich bin es leid", sagt der Held da im Gespräch mit dem Sicherheitsberater des Präsidenten, "dass meine Taten als Instrumente der US-Politik ausgelegt werden" - und kündigt an, er wolle am nächsten Tag vor den Vereinten Nationen sprechen und sie vom Verzicht auf seine Staatsbürgerschaft informieren.

Was, fragen sich nun die Comic-Welt, die Millionen Fans und die Intellektuellen in den Blogs, was wird Superman, der vom Planeten Krypton auf die Erde kam und von einem amerikanischen Ehepaar als Sohn ausgegeben wurde, nach diesem Verzicht nun sein? Ein Staatenloser? Ein Welten-, gar ein Universenbürger?

Als amerikanischer wie als Weltenbürger hatte sich in seiner Wahlwerbung für die Präsidentschaft auch Barack Obama dargestellt und eine neue Formel für den umstrittenen Begriff des Patriotismus gesucht. Und signalisiert, dass amerikanische Politik in Zukunft nur sinnvoll und effektiv sein kann, wenn sie nicht strikt national, sondern im globalen, weltoffenen Kontext operiert.

Vor vielen Jahrzehnten, im Jahr 1938, als Superman seinen Comic-Höhenflug startete, war diese Gleichung noch kein Problem - denn US-Politik war damals automatisch Welt- und Weltmachtpolitik, verkörpert von der Leader-Figur Roosevelt.

Superman ist, wie viele weitere Superhelden auch, ein Kind der Depression und des Zweiten Weltkriegs, einer Zeit, die sich nach Tatkraft und entschlossenem Handeln für die gerechte Sache sehnte.

Nach dem Krieg hat amerikanisches Heldentum schnell kräftige Desillusionierungen hinnehmen müssen, die Nixon- und Bush-Jahre, als das politische und das "wahre" Amerika auseinanderdrifteten, machten auch die Helden anfällig für Selbstzweifel, für melancholische und bipolare Gemütslagen. Batman und Spider-Man laborierten an ihren Rachegefühlen und Schuldkomplexen, Captain America streifte sein blau-rot-weißes Kostüm ab und wurde zum übers Land streifenden Nomaden.

Auch Superman steht nun einer komplexen Realität gegenüber. "Wahrheit, Gerechtigkeit und der American Way", räsoniert er, sei nicht mehr genug: "Die Welt ist zu klein, zu stark verbunden." Und die Handlungsfreiheit immer stärker eingeschränkt. Superman hatte an einer Protest-Demonstration in Teheran teilgenommen, und weil er als amerikanische Ikone gilt, sieht Präsident Ahmadinedschad dies als kriegerischen Akt der USA. Eine international heikle Situation, in einer Zeit, die hin- und hergerissen ist zwischen dem Wunsch nach entschlossenem Superhelden-Durchgreifen und feiner diplomatischer Balance.

Wer soll heute, in wirtschaftlichen Krisen und undurchschaubaren politischen Verwicklungen, verantwortlich handeln für die ganze Welt? Sollte Superman aktiv werden nicht nur in Iran, sondern in Ägypten, Libyen und Syrien?

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SZ vom 30.04.2011/rus
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