Süddeutsche Zeitung

Comic-Hefte:Marvels Superheldinnen sind Ladenhüter

Sie haben es mit Spider Gwen versucht, mit Squirrel Girl oder Ms. Marvel. Aber weibliche Comic-Heldinnen kommen bei den Lesern nicht an. Woran liegt das?

Von David Steinitz

Weibliche Superhelden sind schlecht fürs Geschäft. Das sagte ein Manager des Comic-Verlags Marvel am vergangenen Wochenende bei einer Tagung von Comic-Händlern im Interview mit dem Online-Magazin ICv2.

David Gabriel ist bei Marvel für die gedruckten Hefte zuständig, um die es im Gegensatz zu den sehr erfolgreichen Superheldenfilmen derzeit nicht zum Besten bestellt ist. Letzten Herbst brachen die Heftverkäufe ein, was im Traditionshaus, das unter anderem Spider-Man, Captain America und die X-Men beheimatet, für Nervosität sorgt. Denn die Verkaufsflaute geht direkt mit einer ganzen Armada neuer Superheldenkreationen einher, mit denen Marvel eigentlich gern das Image als Nerdverlag für weiße, pubertierende Jungs loswerden wollte.

In den letzten Jahren wurden die Zeichner und Texter gebeten, das Marvel-Universum mit mehr Diversität zu versehen. Das Ergebnis war unter anderem ein afroamerikanischer Spider-Man mit lateinamerikanischen Wurzeln sowie ein Spinnenmädchen mit dem Namen Spider-Gwen. Diese neue Heldengeneration, sagte Gabriel, habe sich nun als Ladenhüter erwiesen: "Uns kam zu Ohren, dass die Leute nicht noch mehr Diversität wollen. Sie wollen keine weiblichen Charaktere. Das haben sie gesagt, ob wir das glauben oder nicht." Diese Worte sorgten prompt für einen veritablen Shitstorm im Internet, weshalb Gabriel nun kleinlaut ein zweites Interview gab und zurückruderte. Man sei natürlich stolz auf die neuen Charaktere, Spider-Gwen und ihre Gefährtinnen sollten keinesfalls aus den Geschäften verschwinden. "Wir haben auch von Läden gehört, in denen diese Figuren sehr gut laufen. Deshalb wollen wir sie auch künftig behalten, ohne unsere klassischen Superhelden zu vernachlässigen."

Gute Nachrichten also für Squirrel Girl und Ms. Marvel. Die Probleme des Verlagshauses haben vermutlich ohnehin weniger mit den neuen Heldinnen zu tun als mit den alten Leserschichten. Da Marvel seit der Gründung 1939 vor allem die Gelüste der jungen männlichen Zielgruppe bedient hat, werden die neuen Titel natürlich nicht automatisch zu Verkaufsschlagern. Außerdem hat der Kinoerfolg der klassischen männlichen Helden in den letzten zehn Jahren noch ein ganz anderes Problem verursacht, nämlich eine gigantische Superheldeninflation. Durch all die Filme, Spielzeugfiguren, Kostüme und Comic-Hefte ist irgendwann auch das großzügigste Taschengeld aufgebraucht, was ebenfalls eine Ursache dafür sein könnte, dass einige Produkte einfach im Laden liegen bleiben.

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Quelle:
SZ vom 05.04.2017/smb
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