Comic:Gesichtsmaske zum Dessert

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Vier Schwestern meistern das Leben ohne Eltern, wie in einem Wunschtraum, und erleben es nicht als Verlust.

Von Christoph Haas

Eigentlich sind sie zu fünft, die vier Schwestern. Da ist zunächst Enid (achteinhalb Jahre), die gerne mit ihren Katzen Ingrid und Roberto auf der Couch kuschelt. Hortense (elfeinhalb Jahre) ist eine Leseratte, die ganz in der Welt der Bücher aufgeht. Bettina (14 Jahre) durchlebt in vollen Zügen ihre Teenagerzeit; sie ist stets bereit, sich zu verlieben und außerdem mächtig stolz auf ihre einfach perfekte Figur. Geneviève (16 Jahre) dagegen findet ihren Busen viel zu groß und hütet vor den anderen sorgsam ein Geheimnis: Sie ist eine talentierte, hart trainierende Thaiboxerin.

Die fünfte im Bunde ist Charlie, die älteste. Sie zählt aber gar nicht mehr richtig als Schwester. Sie hat schon einen festen Freund, einen Beruf und vor allem: Seit die Eltern der Mädchen bei einem Autounfall ums Leben gekommen sind, muss sie die Stelle der Mutter einnehmen. Ganz verschwunden sind Mama und Papa allerdings nicht. Mitunter tauchen sie unvermittelt als Geister auf, um ihren Kindern mit gutem Rat beiseitezustehen; dabei sind sie bestens gelaunt und eigenwillig gekleidet - im Jenseits scheint es nicht gerade trübsinnig zuzugehen.

"Vier Schwestern" ist keine Adaptation der gleichnamigen Tetralogie von Malika Ferdjoukh (auf Deutsch bei Carlsen). Die französische Autorin hat sich für die aus den Romanen bekannten Protagonistinnen vielmehr rund 60 neue Alltagserlebnisse ausgedacht. Ähnlich wie "Gregs Tagebuch" ist "Vier Schwestern" im Grenzgebiet von Comic und Literatur zu Hause. Jede Episode besteht aus fünf Reihen von zwei bis drei Bildern, unter denen sich ein Textblock befindet. Die Zeichnungen Lucie Durbianos sind in einem freundlichen Cartoonstil gehalten. Auf jeweils zwei Seiten entfalten sich Mini-Komödien: Eine selbst gemachte Gesichtsmaske gegen Mitesser lässt sich auch als leckeres Dessert verzehren; die Besuche der reichen Tante Lucrezia sind schwer nervig; in Sternschnuppennächten ist es schön, im Garten zu liegen und heiße Milch zu trinken. Ein Running Gag sind die Missgeschicke von Bettina, die den attraktiven Sohn eines Lebensmittelhändlers anhimmelt, aber am Ende stets lächerlich, mit ruiniertem Outfit dasteht.

Der Verlust der Eltern hat hier nichts Traumatisierendes, sondern wirkt eher wie die Erfüllung eines Wunschtraums. Dazu passt, dass die Geschwister nicht in einem tristen Großstadtvorort leben, sondern in einer Art Villa Kunterbunt, die malerisch am Meer gelegen ist. Auch wenn Malika Ferdjoukh das Burleske dem Abenteuerlichen vorzieht, entwirft sie - der Name der jüngsten Schwester deutet es an - wie Enid Blyton eine leicht märchenhafte Welt, in der Kinder und Jugendliche das Maß aller Dinge, Erwachsene aber nicht mehr als Randfiguren sind und darum nicht stören. (ab 12 Jahre)

Malika Ferdjoukh: Die vier Schwestern - Vier Jahreszeiten. Mit Zeichnungen von Lucie Durbiano. Aus dem Französischen von Annette von der Weppen. Reprodukt Verlag, Berlin 2019. 145 Seiten, 20 Euro.

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