Süddeutsche Zeitung

Comic:Ohne Scheuklappen

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Andreas Steinhöfel erzählt in seinem Comic , wie ein unzertrennliches Freundestrio gegen Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus kämpft.

Von Christoph Haas

Antisemitismus islamischer Migranten, innermigrantische Konflikte zwischen Säkularen und Frommen, Fremdenfeindlichkeit "biodeutscher" Jugendlicher - das sind schwierige Themen, erst recht in einem Comic für junge Leser. In "Völlig meschugge?!" gelingt es Andreas Steinhöfel, davon nicht nur ohne Scheuklappen, sondern auf spannende und sogar lustige Weise zu erzählen.

"Völlig meschugge?!" beruht auf einem Drehbuch, das Steinhöfel für einen von Kika ausgestrahlten Film geschrieben hat.

Charlotte, genannt Charlie, ungefähr 13 Jahre alt, ist Umweltaktivistin und überzeugte Vegetarierin. Zusammen mit ihren Freunden Benny und Hamid, einem syrischen Flüchtling, bildet sie ein unzertrennliches Trio, egal ob es um das Basteln an einer großen Modelleisenbahnstrecke oder das Erkunden der Natur am Stadtrand geht. Dann jedoch beginnt Benny, eine Kette mit Davidstern zu tragen, die er von seinem Opa geerbt hat. Sein Freund, ein Jude - das ist für Hamid ein Schock. Gleichzeitig fangen Lennart, ein übler Mitschüler, und seine Gang an, Benny zu verfolgen; von antisemitischen Sprüchen ist es nicht weit zu physischer Gewalt.

Wer anderen das Leben schwermacht, wurde möglicherweise zuvor selbst verletzt. Da ist etwa Raduan, Hamids älterer Bruder, der gerne den Nachwuchsmacho gibt. Die Flucht hat ihn wohl traumatisiert; das erklärt zum Teil sein Verhalten, dient aber nicht dazu, ihn zu entschuldigen. Auch Nebenfiguren konstruiert Steinhöfel differenziert. Geschickt ist zudem das für Kinder- und Jugendliteratur typische Detektiv-Motiv eingeflochten: Charlie bemüht sich nebenbei, Handydiebstähle an ihrer Schule aufzuklären, als deren Täter Hamid verdächtigt wird.

"Völlig meschugge?!" beruht auf einem Drehbuch, das Steinhöfel für einen von Kika ausgestrahlten Film geschrieben hat. Die Illustratorin Melanie Garanin erfindet ihn in humoristischen Zeichnungen neu, unter Verzicht auf Sprechblasen und Reihungen gerahmter Panels. Von der Ich-Erzählerin Charlie geleitet, wandert man beim Lesen durch einen locker und luftig gestalteten Comic. Die Mobilität, den Bewegungsdrang ihrer Protagonisten fängt Garanin sehr schön mit dicht nebeneinander liegenden Einzelbildern ein oder dadurch, dass die Darstellung von Abläufen sich mitunter über Doppelseiten erstreckt. (ab 12 Jahre)

Andreas Steinhöfel: Völlig meschugge?! Mit Illustrationen von Melanie Garanin. (Der Comic zur TV-Serie). 288 Seiten, 20 Euro.

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