Süddeutsche Zeitung

Comic:Franquin & Gotlib

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Von CHRISTOPH HAAS

Ein Gemeinschaftswerk von Rubens und Rembrandt, wäre das nicht toll? Oder ein Roman, verfasst von Virginia Woolf und James Joyce? Oder - um ein aktuelles Beispiel zu nennen - wie wäre es, wenn Björk und FKA twigs zusammen ins Studio gingen, um Songs für eine CD aufzunehmen? Man darf ja mal träumen, klar. Aber in der Wirklichkeit sieht es fast immer anders aus: Talente, und erst recht Genies, stehen für sich; sie lassen sich nicht einfach addieren, in der Hoffnung, dass etwas noch Größeres entstehen möge, als wenn sie alleine zur Tat schreiten.

Zu den raren Ausnahmen von dieser Regel zählt die punktuelle Zusammenarbeit zweier Comic-Titanen Mitte der Siebziger. André Franquin (1924-1997) hatte damals aufgehört, an "Spirou" zu arbeiten, und stattdessen mit der makabren, von gallebitter-melancholischem Humor geprägten One Pager-Serie "Schwarze Gedanken" begonnen. Marcel Gotlieb (1934- 2016), der als Gotlib signierte, war durch seine urkomischen, zum Teil von René Goscinny getexteten Beiträge für "Pilote" bekannt geworden; danach hatte er "Fluide Glacial" gegründet. Für dieses von "MAD" inspirierte Satiremagazin entstanden in künstlerischer Partnerschaft der beiden Zeichner eine Handvoll kleiner, brillanter Arbeiten, deren umfangreichste den Titel "Slowburn" trägt. In einem schön gestalteten Büchlein ist sie jetzt erneut auf Deutsch aufgelegt worden ( All Verlag, 9,80 Euro).

Ein Slow Burn ist ein Gag, der sich langsam entwickelt; Laurel und Hardy waren Meister dieses Verfahrens. Im Comic sieht man in einer Folge von 60 Panels ausführlich, wie eine Katze und ein Kater es miteinander treiben; zum Schluss gibt's eine derbe, feministische Pointe. Von Franquin stammen ursprünglich nur 20 Bilder, die Gotlib überarbeitet und geschickt arrangiert hat. Die Katzen, die hier auftreten, sind - wie schon die Katze in "Gaston", der Reihe um den legendär faulen Büroboten - keine Miezen, sondern freche, aggressive Viecher, bebend vor nervöser Energie. Die paar Seiten sind schnell gelesen, aber man liest sie, wie alles von Franquin, gerne immer wieder von Neuem - schon weil sie bis in die wild gezwirbelten Schnurrbarthaare so lebhaft, so dynamisch, so genial gezeichnet sind.

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Quelle:
SZ vom 04.01.2020
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