Comic:Die öffentliche Olympia

Ein letztes Wort zum Kino

Ein letztes Wort zum Kino. Aus dem Französischen von Ulrich Pröfrock.

(Foto: Blutch)

Der französische Comic-Autor Blutch folgt in "Ein letztes Wort zum Kino" den großen Linien seiner ganz persönlichen Geschichte des Films und seiner Götter.

Von Fritz Göttler

Das ist ein trauriges Kapitel, die Frauen und das Kino, es wird geprägt von Schaulust und anderen Formen männlicher Aggression. Wie aus Manets Olympia im Boudoir die Frauen auf der Leinwand geworden sind, von Gilda bis Ava Gardner, den ekstatischen Blicken der Männer im Saal ausgesetzt - das ist eine der großen Linien dieser sehr persönlichen Kinogeschichte, die der berühmte französische Comic-Autor Blutch vor fünf Jahren vorlegte und die nun auch auf Deutsch erschien (Ein letztes Wort zum Kino. Aus dem Französischen von Ulrich Pröfrock. Handlettering Céline Merrien. Reprodukt, Berlin 2016. 88 Seiten, 24 Euro).

Blutch lässt die ewige Faszination des Kinos spürbar werden, aber er erzählt gegen den oberflächlichen Glamour an, seine Erinnerungen sind sperrig, kantig, verzerrt. Man kann viele Illusionen verlieren - auch die jungen Cineasten der Cahiers du Cinéma, heißt es mal boshaft, hätten immer nur ans Vögeln gedacht. Das Buch ist traurig, aber auch befreiend, weil es die kühne Ambition des Kinos ganz ernst nimmt - dem Tod bei der Arbeit zuschauen. Es beginnt, überfallartig, an dem Tag, als die Nachricht von Paul Newmans Tod bekannt wird, September 2008. Dann schwenkt es kurz weiter zu den Männern aus "Wild Bunch", William Holden, Robert Ryan, Ernest Borgnine - "Einer muss ja schließlich der toten Schauspieler gedenken", und wenig später ist Burt Lancaster im Spiel, von seiner Jugend bis ins Alter. Blutch selbst taucht immer wieder als der "Friedhofswärter" und Stichwortgeber auf, verknittert, verbissen, er scheut sich nicht, den Dialog umzuschreiben, den Lancaster als alter Fürst beim Tanz mit Claudia Cardinale führt, in Viscontis "Gattopardo".

Die Erinnerungen springen wild durcheinander, Beschwörungen und Posen, Gene Tierney in "Leave Her to Heaven" oder James Cagney mit der Grapefruit in der Hand, Catherine Deneuve und Orson Welles. Ohne sein "F for Fake" hätte es dieses Buch nicht gegeben, sagt Blutch, und ohne "Histoire(s) du cinéma" von Godard - auch der taucht kurz auf in einer Industrieeinöde, merkwürdige, verrottende Fische aus dem Wasser ziehend. Alte Männer drängeln sich immer wieder bedrohlich in die Szenen, am Ende Michel Piccoli, der dann aber resolut das Buch beendet: "Hier steige ich aus."

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