Coldplay machen es spannend:Wir warten auf "Mylo Xyloto"

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Drei Jahre nach dem Bombenerfolg von "Viva la Vida" veröffentlichen Coldplay ein neues Album. Am Freitag ist es so weit. Ein Besuch in London lüftet das erste Geheimnis: "Mylo Xyloto" ist mehr ist als das Destillat des Vorgängers.

Es gibt keine andere Platte, auf die die Musikbranche seit drei Jahren so gebannt wartet wie auf Mylo Xyloto, das am kommenden Freitag bei EMI erscheinende Coldplay-Album. Vor vier Jahren veröffentlichte die englische Band Viva La Vida, das mit knapp zwölf Millionen verkauften Einheiten das bestverkaufte Album des Jahres 2008 war. Auf größere Verkaufszahlen hat es in der Popbranche seither niemand mehr gebracht. Trotzdem muss man sich in einer Durchgangsstraße im Nordwesten Londons nicht lange gedulden, wenn man Coldplay mal persönlich kennenlernen will.

Coldplay lead vocalist Chris Martin performs at the Rock in Rio Music Festival in Rio de Janeiro

Coldplay füllt mit Leadsänger Chris Martin überall große Stadien.

(Foto: REUTERS)

Scheinbar interessiert sich in der Wohngegend, in der seit geraumer Zeit die gehobene Mittelschicht an der Themse sesshaft wird, keiner für die Typen, die hier in zwei unscheinbaren Gebäuden das Album mit dem seltsamen Titel aufgenommen haben. Im Halbstundentakt wechseln Tontechniker, Roadies und ein paar Musiker-Berühmtheiten die Straßenseiten. Bassist Guy Berryman schlendert unbehelligt über die Straße, winkt kurz von der gegenüberliegenden Seite rüber und ruft: "Wir sehen uns gleich." Willkommen in der Coldplay-Realität!

Die Band kann überall mühelos Stadien füllen und seit knapp zwölf Jahren Platten veröffentlichen, die weltweit alle nationalen und internationalen Konkurrenten abhängen. Berühmtheit kehrt die Band trotzdem lieber ins Gegenteil. Vielleicht, weil sie nicht in die gleichen Ruhmesfallen treten wollen, in denen zahllose Bands vor ihnen feststeckten. Wahrscheinlicher ist aber, dass die Vier zugunsten der Verfeinerung ihres Ausdrucks, ihrer Musik keine Zeit mit Suhlen im Ruhm verplempern wollen.

Zuletzt feierten Coldplay mit Viva La Vida das Leben, schufen sich mit dem gleichnamigen Song ein überlebensgroßes Hymnen-Denkmal und versagtem dem Tod und dessen Kumpanen ihre Gefolgschaft. Und sie warfen damit Fragen wie diese auf: Was soll von Coldplay danach noch kommen? Muss die Band nach dem Schlussrefrain des letzten Albums, "ich will keinen Kreislauf wiederverwerteter Rache" nicht mit zukünftigen, profaneren Aussagen gnadenlos scheitern?

Die Antwort lautet in Hurts Like Heaven, dem Eröffnungssong des neuen Albums: "Du nutzt dein Herz als Waffe." Profan sind solche Refrains nicht. Vielmehr zielsicher formulierte Fortsetzungen des Entsagens der Depression, das mit Viva La Vida begann. "Wenn ich davon singe, dass jemand sein Herz als Waffe einsetzt, meine ich damit das leidenschaftliche Betrachten dessen, was einem heilig ist", erzählt Chris Martin im Aufnahmeraum der als "Bakery" bekannten Ideenschmiede der Band.

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