Süddeutsche Zeitung

John Cleese und Michael Niavarani:"Wie geht es Ihrer Prostata?"

Der lustigste Mann der Welt trifft den lustigsten Mann von Wien: ein Abend mit John Cleese und dem österreichischen Kabarettstar Michael Niavarani.

Von Wolfgang Kralicek

Als John Cleese 2008 zum dritten Mal geschieden wurde, hat ihn das zwölf Millionen Pfund gekostet. Wenn der bald 80-jährige Komiker gefragt wird, warum er in seinem hohen Alter immer noch auf Tour ist, sagt er deshalb meist nur: "I need the money." Derzeit steht Cleese in Wien auf der Bühne, und zwar gemeinsam mit dem Wiener Kabarettisten Michael Niavarani. Der stellt seinem weltberühmten englischen Kollegen gleich einmal die nächstliegende Frage: "Warum, in Gottes Namen, trittst du mit einem wie mir auf?" Darauf Cleese: "Es hat mir so leidgetan, dass dich niemand kennt." In Wien ist das eine gute Pointe, denn Niavarani ist hier mindestens so populär wie der Mann, der als Mitglied der legendären Komikergruppe Monty Python und Schöpfer der epochalen Sitcom "Fawlty Towers" Humorgeschichte geschrieben hat.

Es ist wahrscheinlich nicht übertrieben, wenn man John Cleese als lustigsten Mann der Welt bezeichnet. Der lustigste Mann von Wien aber ist ziemlich sicher Michael Niavarani. Für Kabarettisten ist Wien, die selbst ernannte Welthauptstadt des Schmähs, ja generell ein fruchtbarer Boden; man denke nur an Hader oder Dorfer, Resetarits oder Vitásek, Stermann und Grissemann. Den besten Schmäh von allen aber hat Niavarani. Das ist nicht einfach so dahergesagt, das ist empirisch erwiesen. Viele Jahre lang war Niavarani jede Woche in der ORF-Show "Was gibt es Neues?" zu Gast, der österreichischen Version von "Genial daneben". In der Sendung versuchen fünf Komiker, skurrile Rätselfragen zu lösen, wobei es hauptsächlich darum geht, wem dazu die besten Pointen einfallen. Niavarani hat meist lange geschwiegen. Aber wenn er dann was sagte, war es sehr oft eine - wie man in Wien sagt - Mörderwuchtel.

Der Mann ist hier so beliebt, dass die Wiener überall hinrennen, wo Niavarani draufsteht. Zum Beispiel hat er vor fünf Jahren, zusammen mit dem Kabarettunternehmer Georg Hoanzl, das "Globe Wien" eröffnet, ein 1000-Plätze-Theater, das architektonisch nicht zufällig an die Londoner Shakespeare-Bühne erinnert. Niavarani wollte beweisen, dass Shakespeares Dramen auch heute noch, wie zu ihrer Entstehungszeit, Volkstheaterqualitäten haben können. Das ist ihm gelungen, allerdings hat er "Richard III." und "Romeo und Julia" vorher ziemlich brachial zu Komödien umgeschrieben.

"I look like a terrorist, but I am a Nazi", so erklärt Niavarani seine Herkunft im Ausland

Wenn Niavarani, der Sohn eines Iraners und einer Wienerin ist, im Ausland seine Herkunft erklären will, sagt er: "I look like a terrorist, but I am a Nazi." Der gelernte Schauspieler und geborene Komiker begann seine Brettl-Karriere nicht in einem der studentisch-alternativen Kabarettbeisln, sondern im eher konservativen Kabarett Simpl, wo er schon im Alter von 25 Conférencier war, der jüngste in der langen Geschichte des Etablissements. Das einstige Kabarett-Wunderkind ist inzwischen 51 Jahre alt (und sieht keinen Tag jünger aus), im Simpl ist Niavarani schon länger nicht mehr aufgetreten, dafür ist er dort neuerdings der Besitzer. Ein Soloprogramm ("Homo Idioticus") hat Niavarani zwar auch im Angebot, aber das spielt er nur, wenn er gerade nichts Besseres vor hat. Mehr Spaß macht es ihm, sich mit geschätzten Kollegen auf die Bühne zu setzen und - mehr oder weniger unvorbereitet - Schmäh zu führen. Regelmäßig tritt Niavarani mit der Wiener Komödianteninstitution Otto Schenk auf, im Burgtheater hat er einige Abende mit Harald Schmidt bestritten. Und jetzt sitzt er mit John Cleese auf der Bühne seines Globe-Theaters.

"Hopeless but not serious" heißt der Abend, die acht angesetzten Vorstellungen sind alle ausverkauft. Der Untertitel, "A re-enactment of the Battle of Königgrätz", ist natürlich nur ein Schmäh, tatsächlich handelt es sich um eine Art Talkshow. Gastgeber Niavarani fragt seinen prominenten Gast höflich nach dem werten Befinden ("How is your prostate?") und erklärt dann, wie es zu dem Abend gekommen ist. Als Cleese voriges Jahr mit seinem Soloabend "Last time to see me before I die" in Wien gastierte, traf sich Niavarani mit ihm, weil er über die Aufführungsrechte für eine von Cleese bearbeitete Feydeau-Komödie verhandeln wollte; dabei haben sich die beiden Herren angefreundet und festgestellt, dass sie in fast allem einer Meinung sind - ausgenommen, wenn es um die EU geht. Cleese steht dem Brexit aufgeschlossen gegenüber und beklagt erstaunlich chauvinistisch, dass London ihm "zu kosmopolitisch" geworden sei. Und was, hakt Niavarani nach, wenn der Brexit dazu führe, dass Schottland sich vom United Kingdom verabschiedet? "Terrific idea!"

"Wenn du jemandem Angst machen willst, musst du ihn auf Deutsch anbrüllen"

In seinen Soloshows verwaltet Cleese hauptsächlich sein reichhaltiges Erbe; er zeigt Videoclips aus seinen Meisterwerken und kommentiert diese. Auch diesmal hat er ein paar Ausschnitte mitgebracht, unter anderem eine Szene aus der deutschsprachigen Folge des "Flying Circus", die Monty Python 1971 für die ARD produziert hat - und das, obwohl keiner von der Truppe der deutschen Sprache mächtig war. Cleese hat zwar bis heute ein Faible für die deutsche Sprache ("Ich habe festgestellt: Wenn du jemandem Angst machen willst, musst du ihn auf Deutsch anbrüllen"), beherrscht aber nur einen einzigen Satz fehlerfrei: "Ich kann mit einem Eierlöffel Fledermäuse töten." Davon abgesehen unterhält er sich mit seinem Wiener Bühnenpartner auf Englisch. Das Publikum versteht deshalb nicht alle Gags, der Abend ist aber ohnedies nicht das Pointenfeuerwerk, das man sich vielleicht erwartet hätte.

Obwohl Niavarani, der in London einen Zweitwohnsitz hat, sehr gut Englisch spricht, funktioniert sein Wiener Schmäh auf Wienerisch einfach besser. Die Stärke von Cleese wiederum war immer schon eher Situationskomik als Wortwitz; den größten Lacher erzielt er dann auch damit, dass er den Inhalt seines Wasserglases auf den Gastgeber schüttet. (Er macht es daher gleich noch einmal.) Im Grunde ist die Show ein großformatiges "Meet & Greet", in dem das Publikum miterleben kann, wie ein großartiger Komiker seinem überlebensgroßen Idol begegnet. Das ist selten zum Brüllen komisch, aber immer sehr charmant. Einmal fragt Niavarani seinen Gast, wie es ihm denn damit gehe, alt zu sein. "Man ist oft müde", sagt John Cleese. "Und manchmal weiß man nicht mehr, ob man noch müde oder schon tot ist."

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SZ vom 10.10.2019/biaz
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